Auf diesem Blog dreht es sich rund um Bücher, Rezensionen, Buchvorstellungen, Interviews und das Kochen von leckeren Speisen aus Topf und Pfanne.

Kurzgeschichte: Bombenstimmung

So, nun ist er beendet – der Kurzgeschichten-Wettbewerb zu den Romanen der Autorin Stefanie Ross. Unglaubliche 14 Einsendungen gab es – 14 Geschichten mit den Helden aus den Büchern von Stefanie Ross und „Bombenstimmung“ ist nun eine der beiden Siegergeschichten. Es gibt zwei Gewinner – zwei Geschichten hatten die gleichen Punkte bekommen – und natürlich könnt ihr beide Geschichten hier lesen. Heute die Geschichte von Susanne Kemmer, mit dem NCIS-Agent Brownie an der Reihe und morgen schickt uns Maria Wagner auf den Hamburger Weihnachtsmarkt. Wir wünschen viel Spaß beim Lesen und sagen DANKE für die rege Beteiligung.

Bombenstimmung

Das bunte Gewimmel von Kindern und Erwachsenen, die sich an diesem 20. Dezember im Wohnzimmer ihres Hauses versammelt hatte, verursachte einen Heidenlärm. Die Party war in vollem Gange. Weihnachtliche Musik schallte aus den Lautsprechern der Soundanlage, mischte sich mit dem Klang des Gelächters und dem Summen der Stimmen seiner Freunde und ihrer Familien, die sich angeregt unterhielten. Mark genoss den Trubel. Er beobachtete lächelnd, wie sich Laura, mit einer Tasse Eierpunsch bewaffnet an Jake, Dirk und Sven vorbeidrängte. Ihre Augen funkelten, als sie ihn erreicht hatte, die Wangen glühten und sie schien regelrecht von innen zu strahlen. Er konnte nicht widerstehen, zog sie in seine Arme und küsste sie ausgiebig. Lauras Augen funkelten, als er sich von ihr löste und die kleine Ader an ihrem Hals verriet ihren raschen Herzschlag.
„Wolltest Du etwas Bestimmtes, oder war es einfach zu einsam ohne mich, so ganz allein am anderen Ende des Raums?“
„Spinner.“ Liebevoll knuffte sie ihn leicht mit ihrem Ellenbogen. „Eigentlich wollte ich dich daran erinnern, dass Harm heute Geburtstag hat. Oder hast Du deinen Patenonkel schon angerufen um ihm zu gratulieren?“
„Nein, habe ich nicht. Denk an die Zeitverschiebung.“ Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Jetzt, allerdings…“ Mark stahl sich noch einen flüchtigen Kuss. „Bin gleich wieder da.“

Er schloss die Tür seines Arbeitszimmers hinter sich, machte es sich am Schreibtisch bequem und wählte die Nummer von Harm Richards, dem Leiter des NCIS. Schon nach dem zweiten Klingeln hob sein Patenonkel ab. „Hallo Junge“, dröhnte dessen volle Stimme aus dem Telefon. „Was verschafft mir die Ehre?“

Mark verdrehte die Augen. Das war mal wieder typisch. Harm war manchmal so vertieft in die Arbeit, dass er alles andere ignorierte. Es wunderte ihn kein bisschen, dass der Mann seinen eigenen Geburtstag vergessen hatte. Früher hatte Harms Frau ihn an die, seiner Meinung nach unwichtigen Kleinigkeiten erinnert. Nachdem Helen vor ein paar Jahren verstorben war, fiel diese Aufgabe jetzt seiner leidgeprüften Sekretärin zu. Miss Simmons hatte heute offensichtlich versagt – oder Harm wollte ihn nur aufziehen.

„Ist Dir klar, was heute für ein Tag ist?“
„Freitag. Warum?“
„Hat dein zauberhafter Vorzimmerdrachen gerade Urlaub?“
Harm stöhnte. „Woher weißt Du das?“
Mark lachte. „Na, so schwer ist das wirklich nicht. Ich rufe an, weil ich Dir zum Geburtstag gratulieren will. Also, alles Gute, viel Glück und Gesundheit für Dich.“
„Verdammt. Äh, ich meine, Danke. Scheiße. Hast Du eine Ahnung, wie oft ich heute ein Gespräch einfach weggedrückt habe?“
„Ich schätze mal, einige.“
„Ich auch.“ Harm Richards schnaubte. „Es geht hier gerade drunter und drüber.“
„Wann tut es das nicht?“
Das Geburtstagskind lachte. „Da hast Du auch wieder Recht.“ Im Hintergrund hörte man eine Tür schlagen, Papier rascheln, eine aufgeregte Stimme sprach leise mit Marks Patenonkel. „Ich muss mich da um was kümmern, Junge. Ich rufe dich zurück.“ Das Lachen war aus Harms Stimme verschwunden. Ohne sich von Mark zu verabschieden legte er auf. Das Freizeichen klang aus dem Hörer. Mark beendete die Verbindung und starrte ratlos auf das Display seines SAT-Telefons. Warum hatte Harm einfach aufgelegt? Was hatte diesen Stimmungsumschwung verursacht? Er steckte sein Telefon in die Hosentasche und verließ mit einem unguten Gefühl im Magen den Raum.

Kaum hatte Mark sich wieder zu den anderen gesellt, drängte sich auch schon Jake an seine Seite. „Was ist los? Du machst ein Gesicht…“ „Keine Ahnung. Sag mir, was Du davon hältst.“ Mark fasste das Gespräch und sein abruptes Ende kurz zusammen. Jake runzelte die Stirn. „Klingt gar nicht gut. Was willst Du machen?“ „Keine Ahnung.“ Jake trank einen Schluck von seinem Bier. „Versuch doch mal Brownie zu erreichen. Vielleicht weiß er, was los ist.“ „Gute Idee.“ Mark klopfte ihm auf die Schulter. „Bin gleich wieder da.“

Kaum zurück in seinem Arbeitszimmer wählte er die Nummer seines Freundes, der beim NCIS arbeitete, erreichte aber nur dessen Mailbox. Er hinterließ eine Nachricht und kehrte zur Party zurück. Das Gefühl einer drohenden Gefahr konnte er jedoch nicht abschütteln.

Harm Richards starrte auf die verbogenen Überreste eines schwarzen Camaro, während er darauf wartete, dass sein Freund ans Telefon ging. „Rawlins.“ „Jim, hier ist Harm.“ „Was gibt es?“ „Probleme.“ „Was?“ „Wir müssen etwas übersehen haben. Unser Plan ist uns gerade um die Ohren geflogen. Im wahrsten Sinn des Wortes.“ Jim Rawlins atmete tief ein. „Wie meinst Du das?“ Harm rieb sich den Nacken. „Jim, er hat Brownies Wagen in die Luft gejagt.“ „Verdammte Scheiße.“ Harm wartete während sein Freund eine Reihe sehr fantasievoller Flüche formulierte bis er sich schließlich nach dem Agenten erkundigte.

„Es…“ Harm schluckte schwer. „Es sieht nicht gut aus. Brownie saß, Gott sei Dank, nicht im Wagen, aber er war trotzdem zu nahe dran. Die Druckwelle hat ihn ein ganzes Stück durch die Luft geschleudert. Die Landung war ziemlich heftig und die herumfliegenden Wrackteile…“

„Sir.“ „Ja?“ Harm wandte sich um und fixierte den Mann, der ihn angesprochen hatte. „Können wir das Wrack jetzt abtransportieren?“ „Warum zum Teufel, fragen Sie mich das? Reden sie mit dem Leiter der Spurensicherung.“ Unwirsch wies er auf den Mann, der in einen weißen Overall gekleidet um das Wrack herumging. „Harm“, drang Jims Stimme an sein Ohr. „Was ist mit ihm. Wo wurde er hingebracht?“. „St. Francis. Ich fahre jetzt gleich hin.“ „Gut. Wir treffen uns dort.“

Mark schnappte sich eine Flasche Bier. Die ausgelassene Stimmung hatte sich verflüchtigt, war einer ruhigen fast entspannten Atmosphäre gewichen. Laura schmiegte sich an seine Seite und beobachtete die Kinder, die in einer Ecke des Wohnzimmers spielten. „Sagst du mir jetzt, was dich beunruhigt, oder muss ich es dir irgendwie aus der Nase ziehen?“ „„Was meinst Du?“ Mark hob seine linke Augenbraue, während er sie ruhig ansah. „Ich merke doch, dass Dich etwas umtreibt. Du kannst mir nichts vormachen.“ Sie zupfte an einem Knopf seines Hemdes. „Rück schon raus mit der Sprache.“ „Eigentlich sollte ich beunruhigt darüber sein, dass Du mich so mühelos durchschaust.“ „Quatsch“, wehrte sie ab. „Ich bin schließlich deine Frau. Und ich bin nicht die einzige, die so langsam die Geduld verliert.“ Laura wies zu Dirk hinüber, der Mark mit gerunzelter Stirn beobachtete, während er so tat, als würde er einer von Ems wortreichen Erzählungen lauschen.

„Okay. Du hast Recht. Aber warte kurz, dann muss ich nicht alles zweimal sagen.“ Mark gab Dirk einen verstohlenen Wink. Der verabschiedete sich von der älteren Frau und schlenderte zu ihnen. „Wurde aber auch Zeit“, brummte sein Freund, während er sich ebenfalls eine Flasche Bier nahm. „Was ist los?“ Mark fasste das Telefonat kurz zusammen. Laura legte den Kopf zur Seite, während sie ihm zuhörte. Dirk starrte durch die Terrassentür in den dunklen Garten, ließ sich das Gehörte durch den Kopf gehen und nickte schließlich. „Du hast Recht. Da ist irgendwas faul.“ Laura löste sich von Mark, verschränkte die Arme vor der Brust und fixierte Jake, der sich gerade zu der kleinen Gruppe gesellte. „Was denn?“ Laura runzelte die Stirn, während sie ihn weiter anstarrte. „Du weißt doch schon Bescheid. Also tu nicht so ahnungslos. Es ist jetzt schon“, sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr „geschlagene drei Stunden her, dass Mark mit Harm gesprochen hat. Warum bist du noch nicht im Arbeitszimmer verschwunden um mit irgendeinem Deiner Tricks Informationen von Gott weiß woher zu sammeln?“ Jake blinzelte verblüfft und wandte sich an Mark. „Mac?“

„Es ist mir egal, wie Du es anstellst. Sieh zu, dass Du etwas herausfindest und lass Dich bloß nicht erwischen.“ Jake schnaubte. „Als ob mich je jemand erwischt hätte.“ Er nahm sich einen Teller mit Lebkuchen, biss in eines der mit Schokolade glasierten Teile und machte sich kauend auf den Weg ins Büro.

Jake hatte die Tür erst wenige Minuten hinter sich geschlossen, als aus Marks Hosentasche die Klänge von Beethovens neunter Sinfonie schallten. Diesen speziellen Klingelton hatte er für eine ganz besondere Person reserviert. „Hallo Dad.“ „Sohn.“ Sein Vater klang ungewöhnlich ernst. Die Stille, die der Begrüßung folgte, ließ sämtliche Alarmglocken bei Mark klingeln. „Was gibt es?“ „Ich brauche Dich und dein Team. So schnell wie möglich. Die Daten kommen gleich per Mail. Der Flug ist bereits arrangiert. Also setzt euch in Bewegung.“ Ohne auf eine Reaktion zu warten, beendete sein Vater das Gespräch.

Mark ließ die Hand mit dem Telefon sinken und stieß einen schrillen Pfiff aus. Sofort verstummten sämtliche Gespräche. Die Anwesenden wandten sich ihm zu. „Unser Typ wird verlangt. Abflug ASAP.“ Wortlos machten sich alle zum Aufbruch bereit, als Jake bleich und mit grimmigem Gesichtsausdruck zu ihnen zurückkehrte. „Es gibt Neuigkeiten.“ Alle hielten inne und warteten darauf, dass ihr Freund fortfuhr, doch Jake rieb sich nur über das Gesicht. Pat ließ seiner Ungeduld freien Lauf. „Jetzt red’ schon, Mann. Du siehst aus, als wolltest du Eisennägel kauen.“ Jake ließ den Blick über seine Freunde und ihre Familien schweifen. „Erstens. Jemand hat Brownies Wagen in die Luft gejagt.“ Eisiges Schweigen breitete sich im Wohnzimmer aus. „Er saß nicht drin, wurde aber trotzdem schwer verletzt…“ Jake fuhr sich mit beiden Händen durch seine dunkelblonden Haare. „Es sieht nicht gut aus. Und zweitens – wir haben einen neuen Marschbefehl.“

Sven sprach als Erster. „Das ist euer neuer Einsatz, oder?“ Marks undurchdringliche Miene geriet kurz ins Wanken. Seine dunklen Augen blitzten. „Das hoffe ich doch sehr.“

Marks Vater erwartete sie persönlich am Flughafen. Das Team wurde in einen kleinen Besprechungsraum geführt und nahm schweigend Platz.

Admiral Rawlins warf einen Blick in die Runde. „Ich nehme mal an, dass ihr euch schon einen kleinen Einblick verschafft habt.“ Er bedachte Jake mit einem strengen Blick, den dieser ungerührt erwiderte. Ein flüchtiges Lächeln, dem jeder Humor, fehlte umspielte die Lippen des Admirals, als alle zustimmend nickten.

„Dann kann ich ja gleich ins Detail gehen.“ Mark beobachtete seinen Vater, während der seine Hände im Rücken verschränkte und begann, auf und ab zu gehen.

„Vor einigen Monaten ist Harm Richards in seiner Eigenschaft als Leiter des NCIS darauf gestoßen, dass es einen Kerl gibt, der sich die Ressourcen der Navy illegal zu Nutzen macht. Im Klartext. Es gibt einen Auftragskiller, der ein ganzes Netzwerk von Spitzeln in seinen Diensten hat. Er scheint ein Mitglied des NCIS zu sein, ebenso wie einige der Leute, die für ihn arbeiten. Die Indizien waren anfangs, vorsichtig formuliert, ein wenig dürftig. Agent Browning erhielt den Auftrag, die Sache zu verifizieren.“ Der Blick des Admirals schweifte in die Ferne. Seine Stimme wurde härter während er die Tatsachen zusammenfasste. „Der Verdacht erhärtete sich im Lauf seiner Ermittlungen, dennoch konnte er weder den Killer noch seine Komplizen einwandfrei identifizieren. Agent Browning stand kurz vor einem Durchbruch. Wir erwarteten allerdings nicht, dass der Kerl versuchen würde Brownie zu töten. Aufgrund des psychologischen Profils, welches wir zwischenzeitlich erstellen konnten, sollte er eigentlich ehr die Personen aus seinem Netzwerk entfernen, die Eugene verdächtigte, damit keine Spuren zu ihm führen würden.“

Eine tödliche Ruhe hatte sich in Mark ausgebreitet, während er lauschte. „Das war wohl eine krasse Fehleinschätzung. „Ja.“ Sein Vater schluckte schwer. „Wie auch immer. Die Tatsachen, dass Brownie fast das Opfer eines Anschlags geworden ist und dass nur fünf Personen die Information über seinen Ermittlungsstand erhielten bedeutet, dass wir den Kreis der Verdächtigen erheblich einschränken können.“ „Und was sollen wir dabei tun?“ Pats Ungeduld war ihm deutlich anzumerken.

Der Admiral fixierte ihn mit einem scharfen Blick.

„Nachdem Harm gerade mit Mark telefonierte, als er die Nachricht über die Explosion bekam, war uns beiden klar, dass ihr früher oder später hier auftauchen würdet. Also haben wir uns entschieden es gleich offiziell zu machen.“ Er straffte seine Schultern. Seine Stimme nahm wieder den festen, befehlenden Ton an, den er sonst bei Einsatzbesprechungen anschlug. „Der Kerl wird beenden wollen, was er angefangen hat. Brownie stellt zwar momentan keine unmittelbare Gefahr für ihn dar, aber unser Mörder kann das Risiko nicht eingehen, dass er überlebt.“ Marks Vater blieb am Fenster stehen. Er blickte hinaus in die Dunkelheit.

Mark und sein Team warteten stumm darauf, dass er weitersprach. „Ihr werdet den Personenschutz für Brownie übernehmen und gleichzeitig seine Ermittlungen weiterführen.“ Er nickte Jake zu. „So wie ich es sehe, solltet ihr keine nennenswerten Schwierigkeiten haben, mit den verschlüsselten Daten unseres Freundes zu arbeiten.“

Einen Tag später trafen sie sich wieder einmal im Krankenzimmer ihres Freundes. Der abgedunkelte Raum wurde nur von den blinkenden Lichtern der verschiedenen medizinischen Geräte erhellt. Mark trat an das Bett und ließ seinen Blick über die Gestalt gleiten, die dort lag.

Brownies Gesicht wurde von Blutergüssen und Abschürfungen verunziert, beide Arme waren bandagiert, der rechte geschient. Das linke Bein seines Freundes wurde von einer Art Seilzug nach oben gehalten Sein Kopf war leicht zur Seite gesunken, fast als würde er auf etwas lauschen. Verschiedene Kabel verschwanden unter der leichten Decke, die über seinen kräftigen Körper gebreitet war. Mark löste den Blick nicht von Brownie, während er sich an Daniel wandte, der neben ihm stehend auf einem Tablet das Krankenblatt des Verletzten studierte. „Und?“

Daniel hob nur kurz den Blick. „Die Kollegen haben verdammt gute Arbeit geleistet. Er wird wieder werden. Das künstliche Koma wurde beendet und er sollte demnächst aufwachen.“ Mark nickte und trat näher an das Krankenbett. „Er hat was von einer Katze.“ Daniel grinste schief. „Lass ihn das bloß nicht hören.“ „Wieso? Sein Leben hing schon oft genug an einem seidenen Faden und er hat es überlebt. Er ist eine Katze.“ Mit einem boshaften Grinsen fügte er noch „ein kleines flauschiges Kätzchen.“ hinzu. „Idiot“ Das heisere Flüstern war kaum zu hören. Brownies Augenlieder hoben sich langsam. Mark berührte ihn leicht am Oberarm. „Willkommen zurück, mein Freund.“ Daniel schob Mark zur Seite, doch der Patient war schon wieder weggedämmert.

Zwei Stunden später wachte er allerdings endgültig auf. Mark saß auf einem Stuhl am Bett, als Eugene Browning die Augen erneut aufschlug. „Was machst Du denn hier“, flüsterte er heiser. Mark grinste ihn schief an. „Meinen Job.“ „Aha.“ Brownie schluckte. Mark stellte das Kopfteil etwas höher und hielt ihm dann ein Glas Wasser, in dem ein Strohhalm steckte an die Lippen. Sein Freund nahm vorsichtig einen Schluck und schloss kurz die Augen. „Verdammte Scheiße. Wie schlimm ist es, Mac?“ „Die Details lässt Du dir besser von Doc oder deinen Ärzten erklären, aber du solltest ohne bleibende Schäden davonkommen.“ Der NCIS-Agent runzelte die Stirn. „Wie weit seid ihr?“ „Weit genug.“ Mark erläuterte ihm die bisherigen Ermittlungen und schloss mit den Erklärungen zu den getroffenen Sicherheitsmaßnahmen. „Vor der Tür steht eine Wache. Wir haben das Zimmer verwanzt. Jedes hier drin gesprochene Wort wird aufgezeichnet. Einer von uns ist immer bei Dir. Oder eigentlich zwei.“ Er wies auf die großen Fenster. „Pat ist auf dem Dach gegenüber und behält uns im Auge.“ Schwerfällig drehte Brownie den Kopf und starrte nach draußen. Dann hob er kraftlos die Hand und versuchte ein leichtes Winken. Ein rot leuchtender Punkt blitzte kurz auf seiner Haut auf.

„Ihr denkt also, er wird es wieder versuchen.“ „Du nicht?“ „Doch.“ Langsam wendete Brownie sein Gesicht wieder zu dem Freund an seinem Bett. „Ich fühle mich, wie durch einen Fleischwolf gedreht und falsch wieder zusammengesetzt.“ Mark schnaubte. „Ist ja auch nicht ganz verkehrt. Es wird schon ein paar Tage dauern, bis du hier wieder raus kannst.“ Das unwillige Grunzen des Verletzten entlockte ihm ein leises Lachen. „Verlierst Du jetzt schon die Geduld?“ „Ich mag Krankenhäuser nun mal nicht.“ „Wer tut das schon.“ Brownie richtete den Blick an die Decke. „Euer Plan hat einen Fehler.“ Mark hob seine linke Augenbraue „Ach. Und welchen?“ „Wenn ihr mich zu gut beschützt wird der Kerl es niemals versuchen. Ihr solltet den Mann vor der Tür abziehen. Von mir aus kann er sich ja im Bad verstecken.“ „Weitere Vorschläge?“ Marks ironischer Tonfall schien Brownie nicht berühren. „Wenn Du mich so fragst. Wer auch immer bei mir ist sollte zwischendurch mal verschwinden. Sich einen Kaffee holen oder so was in der Richtung.“

Mark berührte ihn leicht an der Schulter. „Lass das mal schön unsere Sorge sein. Wir haben an alles gedacht. Und dein Job ist es nicht, den Einsatz zu planen, sondern hier herumzuliegen und gesund zu werden.“ Er wartete auf einen Kommentar und als dieser ausblieb fügte er noch hinzu „und außerdem entspricht das exakt dem, was wir vorhatten. Wir wollten nur ein paar Tage warten, bis Du dich ein bisschen erholt hast.“ „Schwachsinn. Zieht das jetzt durch. Dann ist es wenigstens nicht ganz so langweilig hier drin.“ Mark schwieg wohlweißlich. Er stand lediglich auf, zog sein Telefon aus der Jacke und verließ mit einem kurzen Nicken in Richtung Fenster das Krankenzimmer.

Am Nachmittag des 23. Dezember lag Brownie in seinem Bett und starrte genervt an die Decke. Seine Nase juckte und er war nicht mal im Stande sich selbst zu kratzen. Das Einzige, was er bewegen konnte war sein linker Unterarm und den nicht besonders weit. Zum wiederholten Mal ließ er die er die letzten Tage vor dem Attentat Revue passieren. Leider sang auf dem Flur eine Frau sehr enthusiastisch Weihnachtslieder und störte seine Konzentration. Jedes Mal, wenn sie den richtigen Ton verfehlte, zuckte er zusammen. Himmel noch mal. Konnte nicht jemand diese Heulboje endlich zum Schweigen bringen? Genervt schloss er die Augen und versuchte seine Gedanken wieder auf die wichtigen Dinge zu lenken. Zusätzlich beeinflussten die Medikamente mit denen er den ganzen Tag vollgepumpt wurde seine Konzentrationsfähigkeit. Mit zusammengekniffenen Augen fixierte er den verhassten Infusionsbeutel und verfolgte wie Tropfen für Tropfen in den Schlauch fiel, der über eine Nadel mit seinem Handrücken verbunden war.

Die Tür wurde schwungvoll aufgerissen und eine Krankenschwester rauschte in das Zimmer. Sie knallte ein Tablett mit verschiedenen Spritzen und Medikamenten auf den Beistelltisch und musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen.

„Zeit für ihre Injektion, Agent Browning.“ Ihre befehlsgewohnte Stimme stand in krassem Gegensatz zu dem zarten Äußeren. Der Dragoner sah aus wie eine Elfe, doch Brownie hatte schon festgestellt, dass mit der Lady nicht zu spaßen war. Ohne viel Federlesens schlug sie die Decke zurück, zog sein Krankenhemd nach oben und setzte die Heparin-Spritze in seinen Bauch. Gerade als sie die Decke wieder über ihn breitete klopfte es an. Einen Wimpernschlag später wurde die Tür aufgerissen und einer seiner Kollegen betrat den Raum, bewaffnet mit einem riesigen Blumenstrauß. Brownie verdrehte innerlich die Augen. Was sollte er denn mit dem Gemüse? Und ausgerechnet von einem Kollegen, der ihm schon an guten Tagen mächtig auf die Nerven ging. Dennoch machte er gute Miene zum bösen Spiel und begrüßte den Besucher mit einem Lächeln. „Seamus?“ „Hallo Brownie.“ Der Mann wedelte mit den Blumen. „Die sind von meiner Frau. Schöne Grüße von Linda und sie hofft, dass Du bald wieder auf die Beine kommst.“ Die Schwester wandte sich an Seamus McQuinn. „Besuchszeit ist von zwei bis fünf. Jetzt ist es sechs.“ Sein Kollege ließ sich nicht beirren. Er schenkte der Frau ein freundliches Lächeln und zwinkerte ihr wortlos zu. Die Schwester griff sich das Tablett und eilte zur Tür. „Fünf Minuten“, wies sie Seamus an. „dann komme ich wieder. Und wenn sie bis dahin noch hier sind, lernen sie mich kennen.“

Kaum war sie verschwunden, ließ das Lächeln seines Kollegen nach. Er schob den Notfallknopf außer Brownies Reichweite und lehnte sich an das Bett,  betrachtete ihn mit ernstem Blick. „Großes Glück gehabt, was?“ Brownie verzog das Gesicht. „Wie man es nimmt.“ Seamus steckte seine Hand in die Jackentasche und seufzte schwer. „Irgendwann wird dich Fortuna im Stich lassen.“ „Hoffentlich nicht so bald.“ Wieder seufzte der Mann. „Ich fürchte doch, mein Freund.“ Er zog eine Spritze zwischen den Blumen hervor „Warum musstest Du auch deine Nase in Dinge stecken, die dich nichts angehen.“ Brownie war fassungslos. „Seamus? Was soll das?“

„Das musst Du tatsächlich noch Fragen?“ Der Mann schüttelte den Kopf. „Ist das nicht offensichtlich? Du bist mir zu nahegekommen, mein Lieber. Das kann ich nicht zulassen. In der Spritze hier ist ein kleiner, feiner Cocktail, der dich ruhigstellen wird. Sehr ruhig. Gott sei Dank ist das Zeug nicht nachweisbar. Und da du deine Ermittlungsakten so wunderbar verschlüsselt hast, wird mir keiner je auf die Schliche kommen.“ Brownies Gedanken rasten. Wortlos starrte er Seamus an. Warum schoss Pat nicht? Sollte er um Hilfe rufen? Seamus nickte ihm zu. „Danke, dass du mir die Sache leichtmachst. Es ist immer so lästig, wenn sich die Leute nicht in ihr Schicksal fügen wollen.“

Unfähig sich zu wehren und sprachlos vor Entsetzen beobachtete Brownie, wie der Mann die Schutzkappe von der Injektionsnadel zog und den Schlauch umfasste. Die Spitze der Kanüle berührte bereits den durchsichtigen Kunststoff. Gleich…

„Was machen Sie denn da?“

Das Fenster zersplitterte und McQuinn wurde von einer unsichtbaren Kraft herumgerissen. Er taumelte, während sich ein roter Fleck auf seiner Schulter ausbreitete. Die Spritze entglitt seinen leblosen Fingern. Seamus starrte die Schwester an, die mit einer Vase in der Hand das Zimmer betreten hatte. Im gleichen Moment wie diese tief Luft holte und nach Leibeskräften schrie stürzte Mark in den Raum, stieß die Frau zur Seite und schlug Seamus zu Boden. Er riss ihm die Arme auf den Rücken, zog einen Kabelbinder aus der Tasche seiner Cargo-Hose und fesselte ihm die Hände. Erst dann wandte er sich zu seinem Freund um.

„Alles okay?“ Brownie nickte nur stumm. Dann atmete er tief ein und ließ die Luft ganz langsam wieder entweichen, während sein Blick zu dem zerstörten Fenster schweifte.

Am nächsten Morgen traf sich das gesamte Team in Brownies Krankenzimmer. Die Krankenschwester warf ihnen lediglich einen missbilligenden Blick zu und schüttelte den Kopf, während alle an ihr vorbeimarschierten. Mark wollte gerade schildern, was sich alles ereignet hatte, nachdem Seamus McQuinn abtransportiert worden war, als Brownie die Hand hob und um Ruhe bat. „Jungs, ich bin wirklich froh euch zu sehen und ich danke euch für das was ihr getan habt. Versteht mich bitte nicht falsch, aber was macht ihr noch hier? Heute ist der 24. Solltet ihr euch nicht auf dem schnellsten Weg nach Hause befinden, damit ihr Weihnachten mit euren Familien feiern könnt?“ Daniel grinste mit Mark um die Wette, während Pat lässig abwinkte. „Das lass mal unsere Sorge sein.“

Sie unterhielten sich noch über die Ereignisse der letzten Tage als es klopfte. Ohne auf eine Aufforderung zu warten trat der Admiral zusammen mit Harm Richards ein. Sie ließen die Tür offen.  Während sie noch alle Anwesenden begrüßten zwinkerte Mark seinem Freund zu. „Wird langsam voll hier.“ „Hmhm.“ Brownie stellte das Kopfteil seines Bettes ein bisschen höher, damit er eine bessere Sicht auf seine Besucher hatte. Und stellte verwundert fest, dass sich auf einem Tisch neben der Tür plötzlich ein riesiger Thermobehälter befand. Daneben standen mehrere Schalen mit Gebäck und Lebkuchen.

„Onkel Brownie! Onkel Brownie!“

Mark wich zur Seite und gab den Blick auf seinen Sohn frei, der an der Hand seiner Mutter ins Zimmer kam und zum Bett eilte. Im Sekundentakt trafen immer mehr Freunde ein. Dirk und Sven mit ihren Familien, Frauen und Kinder der Teammitglieder. Es entwickelte sich ein regelrechtes Gedränge. Irgendwer hatte einen CD-Spieler mitgebracht und Weihnachslieder klangen durch den Raum

 

Did you like this? Share it:

10 thoughts on “Kurzgeschichte: Bombenstimmung

  1. Vielen Dank für die tolle Geschichte. Ich habe sie gerade meinem 12jährigem Sohn vorgelesen und ihm parallel kurz ein paar Figuren erläutert. Er fand sie spannend.

  2. Nochmals herzlichen Glückwunsch! Eine tolle Geschichte! Bei der Krankenschwester musste ich spontan an die aus dem Wernerfilm denken. Ich hatte viel Spaß beim Lesen?

  3. Eine sehr schöne Geschichte und sehr gut angelegt. Es ist schön, dass auch über andere Figuren, die mitspielen, erzählt wird.

  4. Schöner kann der Tag nicht beginnen. Eine tolle Geschichte. Herzlichen Glückwunsch an Susanne Kemmer für diese spannende Story und ein fettes Danke an Dich für diese tolle Idee mit dem Wettbewerb und die die mühe die Du dir machst. Wünsche einen schönen Tag.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


*