Auf diesem Blog dreht es sich rund um Bücher, Rezensionen, Buchvorstellungen, Interviews und das Kochen von leckeren Speisen aus Topf und Pfanne.

Türchen 22: Kurzgeschichte

Der heutige Beitrag im Blog-Adventskalender ist etwa Besonderes. Der Dresdner Autor Frank Goldammer war so lieb und hat für den Adventkalender eine seiner weihnachtlichen Kurzgeschichten beigesteuert. Vielen Dank dafür Frank 🙂

Tod einer Legende

„Bitte Frau Klein, fangen Sie doch nochmal ganz von vorn an, ja!“

„Herr Hauptkommissar, hören Sie, es tut mir wirklich Leid, es war Notwehr, verstehen Sie, Notwehr!“

„Bitte, Hysterie bringt Sie jetzt nicht weiter.“

„Herr Hauptkommissar, glauben Sie mir doch!“

„Ich weiß nicht ob ich Ihnen glauben soll. Immerhin können Sie die Tragweite dieses … nennen wir es jetzt mal Vorfalls, kaum abschätzen.“

„Ich bin keine Mörderin.“

„Das wollen wir feststellen, nicht wahr. Sie sind also alleinstehend?“

„Ist das jetzt schon ein Motiv?“

„Machen Sie sich über das Motiv mal keine Gedanken. Das machen wir schon. Sie sind also alleinstehend?“

„Ja das bin ich.“

„Und Sie lagen in Ihrem Bett?“

„Ich habe geschlafen, ich muss früh raus!“

„Sie arbeiten bei einem mobilen Pflegedienst, das wissen wir. Sie waren also ab halb zehn im Bett. Was taten Sie gegen 24 Uhr?“

„Ich schlief, ich hab es schon hundert Mal erzählt!“

„Haben Sie Zeugen?“

„Nein, verfl… ich bin alleinstehend. Warum hacken Sie nur darauf immer herum!“

„Ich tue hier nur meine Arbeit, das verstehen Sie hoffentlich. Sie schliefen also…“

„Tief und fest!“

„Aber nicht so fest, als dass Sie dieses Geräusch nicht hören konnten!“

„Ich weiß doch nicht wie laut oder leise das Geräusch war. Immerhin war es so laut das ich erwachte.“

„Was taten sie dann?“

„Ich horchte eine Weile und als ich sicher war, dass da jemand in meiner Wohnung ist erhob ich mich…“

„Sie gingen zu Ihrem Kleiderschrank in dem sich in einer Hutschachtel eine Waffe befand. Eine Pistole!“

„Ja, aber ich wollte doch niemanden erschießen, ich wollte nur drohen damit.“

„Darauf kommen wir zurück. Woher haben Sie die Waffe? Sie haben keinen Waffenschein!“

„Die ist von meinem Vater!“

„Hat er sie ihnen gegeben?“

„Mein Vater starb vor zehn Jahren, ich habe sie bei der Haushaltsauflösung gefunden. Er war beim Militär. Ich habe sie als Andenken an ihn mitgenommen.“

„Warum nahmen Sie sich ausgerechnet die Waffe? Warum kein anderes Andenken?“

„Es gab nichts anderes. Er war kein sehr … liebevoller Mensch. Als Mutter starb, zog er sich emotional sehr zurück. Ich habe nicht viel Liebe erfahren zu Hause. Wissen Sie, es gab nicht einmal Weihnachtsgeschenke. Wir lebten sehr spartanisch, die Pistole war das einzige Stück zu dem er wirklich einen Bezug hatte, deshalb habe ich sie mitgenommen.“

„Aber sie war geladen und scharf, das wussten Sie nicht?“

„Nein, ich habe keine Ahnung, ehe er starb hatte ich doch nicht einmal eine Ahnung, dass er eine Waffe hatte.“

„Gut, Sie standen also auf, holten die Waffe hervor und verließen Ihr Schlafzimmer?“

„Ja, ich bin in den Flur und hörte die Geräusche aus dem Wohnzimmer kommen!“

„Da sahen Sie diesen Mann?“

„Ja, ich sagte, ‚was machen Sie da‘ und hob die Pistole. Er drehte sich um und sagte: ‚Du hättest mich nicht sehen dürfen‚. Dann kam er auf mich zu.“

„Und Sie haben abgedrückt!“

„Das war keine Absicht, ich hatte Angst. Wahrscheinlich habe ich mich verkrampft. Ich wollte Ihn nicht erschießen!“

„Das … warten Sie ich muss ans Telefon … Hauptkommissar Schlau! Ja, ja oh. Sicher? Gut, ich brauche die Laborberichte schriftlich. Bis dann. Hören Sie Frau Klein, wir haben ein ernsthaftes Problem. Ein Problem von, sagen wir … politischer Tragweite!“

 

Einen Tag zuvor:

„Ich glaube ich werde es nochmal tun!“

„Was denn?“

„Dieses Jahr werde ich noch einmal auf Tour gehen, ich hab da noch eine Rechnung offen!“

„Das ist Blödsinn, du bist zu alt!“

„Rede nicht so mit mir!“

„Glaub es mir mein Guter, du bist den Dingen nicht mehr gewachsen. Du bist nun einmal in Rente gegangen, also bleib dabei!“

„Das war meine eigene Entscheidung und ich kann sie auch wieder revidieren!“

„Hör mir zu. Ich war dieses Frühjahr wieder auf Tour und ich sage dir es war eine Qual. Die Leute heutzutage sind viel aufmerksamer. Vor allem die Kinder, du kommst kaum noch irgendwo rein, du kannst dich nicht darauf verlassen dass sie schlafen. Die meisten gehen ins Bett wann sie wollen, spielen Computer bis in die Nacht. Überall gibt’s Bewegungsmelder und Alarmanlagen. Du kannst dir Mühe geben wie du willst, plötzlich stehst du im Scheinwerferlicht. Man kommt nicht mehr einfach in ein Haus rein. Wenn du Pech hast schießt man sogar auf dich!“

„Haha. Auf dich vielleicht!“

„Lach nicht. Ich meine es Ernst. Auf dich schießen sie auch, mein Freund. Hör auf mich! Nimm es mir nicht übel, du bist zu alt, du verstehst die Leute nicht mehr, sie sind anders geworden, härter und kälter. Das ist nicht mehr dein Revier!“

„Gut … gut … du hast Recht. Aber eine Sache gibt es da noch. Eine kleine Sache. Ein Kind, ein Mädchen. Sie war früher so … böse. Jetzt müsste sie erwachsen sein.“

„Vielleicht konnte sie nichts dafür, vielleicht waren es die Umstände.“

„Das denke ich mittlerweile auch!“

„Und trotzdem willst du da hin?“

„Gerade deswegen!“

„Gut, dann mach das. Aber bloß dieses eine Ding. Und übertreibe es nicht. Nur Kleinigkeiten!“

„Nur eine Kleinigkeit, okay.“

„Mann, ich fühle mich nicht gut dabei. Pass bloß auf dich auf!“

„Na übertreibe es mal nicht, du Angsthase. Was soll schon passieren, sie ist eine kleine Frau und ich bin immer noch der Weihnachtsmann!“

 

 

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