Neben all den Romanen, Thrillern, Liebes- und Lebensgeschichten, versuche ich auch ab und zu zeitgeschichtliches und Fachbücher auf meinem SuB landen zu lassen.
So geschehen in Weimar, als ich unter der Literatur um den 2. Weltkrieg, die Konzentrationslager und den Schicksalen unter der Naziherrschaft dieses Buch entdeckte.
Mich reizte das Thema, denn das was-wäre-wenn war bei mir neben allem Wissen um das Dritte Reich ein schwarzen Fleck auf der Landkarte.
Ralph Giordano, Jahrgang 1923, Sohn einer Jüdin, Journalist und Schriftsteller aus Hamburg, beschäftigte sich mit diesem Werk einmal mehr mit seinem „Lieblingsthema“, den Nazis.
Anders als viele andere Bücher, geht dieses aber nicht nur darauf ein, was war, sondern was gewesen wäre, wenn – ja wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte.
Dieses Buch hat mich von der ersten Seite an fasziniert – zeigt es doch die Vorhersehbarkeit der Ziele, der Mittel und der Wege der Nationalsozialisten. Es hat mich 2,5Monate gekostet, trotz der „nur“ 368 Seiten, dieses Buch zu beenden. Es war viele, sehr viele Informationen, eine schier unbegreiflich vielseitige Sammlung an Fakten, Zielen und konkreten Plänen für eine Zeit nach dem Weltkrieg. Und es geht um die Menschen, die diese Pläne erdacht haben, ihre Umsetzung vorbereitet und die Welt damit zu ändern versucht hatten.
Vieles, was in diesem Buch steht wusste ich nicht. Die Zusammenhänge zwischen der Wirtschaftsbossen, der politischen Führung und dem Militär war beispielsweise so tiefgreifend, dass es einem beim Lesen schaudert.
Mit präzisen Wort, die größtenteils sachlich, teils emotional und empört niedergeschrieben sind, führt der Autor den Beweis der abgrundtiefen Bosheit, aber auch des eiskalten Kalküls der Machthaber.
Dieses umfangreiche Werk nennt Namen, zitiert dutzende Originalquellen und zeigt damit die vielseitigen Pläne der Führer im Reich – sowohl als es noch so aussah, als würden sie militärisch unbesiegbar sein, als auch zu einer Zeit, da die vernichtende Niederlage bereits feststand.
Neben den beängstigenden Endsiegplänen, die nur in einer Weltherrschaft enden konnten, waren auch überraschende Themen dabei.
Unter den für mich neuen Fakten war zum Beispiel, dass die „EU“ ein Kind Ludwig Erhards war, jedoch schon 1943/44 zusammen mit den Managern der I.G. Farben. Es wird gezeigt, dass die unvollständige Entnazifizierung bewusst von den Briten schon 1944 in Kauf genommen wurde, um mit Westdeutschland (ebenso geplant 1944) eine Allianz gegen die Sowjetunion zu schmieden. So kommt es auch, dass viel „Prominenz“ der Nazis später in der BRD vorzügliche Posten genossen und ihnen nie das Blut an den Händen im Wege stand.
Wer vom ganzen Thema Nationalsozialismus glaubt alles zu wissen, möge zu diesem Buch greifen. Es lohnt sich, denn es eröffnet neue Perspektiven, zeigt den Plan der Nazis und den „Plan B“ der Opportunisten unter ihnen.
Für dieses Sammelwerk an Wissen kann es nur 5 Sterne geben.
Daten:
Autor: Ralph Giordano
Titel: Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte: Die Pläne der Nazis nach dem Endsieg
Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag: KiWi-Taschenbuch (August 2000)
ISBN: 978-3462029444
Hallo Marcus, habe dieses Buch auf der Frankfurter Buchmesse gesehen und mir gefiel der „was wäre wenn“ Gedanke.
Jetzt macht mich deine Rezi noch neugieriger auf das Buch und werde es mir wohl doch kaufen und lesen 😉
Danke für ein Buch außerhalb des Mainstreams.
Lg
Hallo Jessica,
das Buch ist sehr lesenwert – ich kann es nur empfehlen, sofern man am Thema interessiert ist und man bereit ist, sich Schrecken und Resignation zu stellen.
Kleiner Tipp: Heute habe ich Kurt Vonneguts „Schlachthof 5“ ausgelesen – die Rezension folgt demnächst ebenso auf dem Blog. Und auf meinem Sub sind noch ein paar weitere Titel abseits des Mainstreams – man darf gespannt sein.
LG Markus