Die Autorin Nicole Grom habe ich erst bewusst bei dem Buch „Abenteuer im Spreewald“ kennengelernt. Sie hat den historischen Teil des Buches geschrieben und mich gleich in ihren Bann gezogen. Danke dafür und Danke für das ehrliche Interview.
Katja: Liebe Nicole, vielen Dank dass ich Sie zum Interview treffen darf. Wir fangen ganz harmlos an: Stellen Sie sich doch am besten einmal selbst vor. Was macht den Menschen Nicole Grom aus? Mit welchen drei Worten würden Menschen in Ihrer Umgebung Sie am ehesten beschreiben?
Nicole: Liebe Katja, zunächst einmal vielen Dank für die nette Einladung! Ach, so harmlos ist die Frage eigentlich gar nicht. Wahrscheinlich würden mich wohlgesonnene Mitmenschen mit den Worten „temperamentvoll – humorvoll – unorthodox“ beschreiben. Und je nachdem, auf welchem Fuß sie mich erwischen und wie ich ihr eigenes Verhalten in meinen Reaktionen auffange, kämen vielleicht auch „cool“, „pingelig“, „unverblümt“ und „gnadenlos“ dazu. J Auf jeden Fall bin ich jemand, der Heuchelei schlecht erträgt und Dünkel sowie Political Correctness sowieso. Humor dagegen liebe ich, und man kann mit mir Pferde stehlen. Als Widder mit Aszendent Widder renne ich zudem sehr gerne gegen Wände, auch wenn die gar nicht existieren. Außerdem ist schwer vorstellbar, dass ich jemals einem Konflikt aus dem Weg gehen würde. Als meine größte Charakterschwäche würde ich meine rasende Ungeduld bezeichnen. Außerdem mag ich Männer: Man muss nicht ewig mit ihnen diskutieren und kann schnell Entscheidungen treffen. Denn ich liebe es, Entscheidungen zu treffen und auf Menschen zu stoßen, mit denen ich im kreativen Flow Projekte ausarbeiten kann. Das sind aber nicht nur Männer! 😉
Katja: Ich habe von Ihnen das Buch „Abenteuer im Spreewald“ gelesen, das Sie gemeinsam mit Steffi Bieber-Geske geschrieben haben. Wie haben Sie sich auf das Schreiben des Buches vorbereitet? Haben Sie alle Ausflugstipps selbst getestet?
Nicole: Für die Recherche dieses Buches habe ich zwei wunderschöne Recherchereisen in den Spreewald unternommen. Da mein Part ja darin bestand, das Tagebuch des Müllersohnes Juro zu verfassen, der vor 170 Jahren in dieser Region lebte, standen für mich konkrete Ausflugtipps nicht so sehr im Vordergrund. Viel wichtiger war es, die einzigartige Atmosphäre dieses Naturparadieses zu erleben und in den dortigen Museen historische Informationen zu sammeln, etwa zu den Themen Wohnen, Landwirtschaft oder Kinderspiele. Ganz besonders hat mich als Slavistin natürlich die sorbische Sprache (hier: Niedersorbisch) interessiert, die allerdings leider vom Aussterben bedroht ist.
Katja: Auf der Website einer Autorin habe ich die etwas provokante Frage „Wieviel heile Welt braucht ein Kinderbuch?“ gefunden. Was ist Ihre Meinung? Wieviel heile Welt brauchen Kinder und welche Themen wären für Sie in einem Kinderbuch tabu?
Nicole: Für mich wären erstaunlich wenige Themen tabu. Kindern eine heile Welt vorzugaukeln, ist eine glatte Lüge. Kinder sind viel schlauer, als Erwachsene es wahrhaben wollen, und riechen den Braten doch ohnehin. Erschütterungen gehören zum Leben; Bücher als Probeszenarien für den Ernstfall zu betrachten, ist mehr als legitim. Ich finde also nicht, dass es um die Themen selbst geht (fast alle sind zumutbar), sondern darum, ob man als Autor ein versöhnliches Ende findet, das Mut macht – oder das Buch in Depression und damit letztlich in Beliebigkeit auslaufen lässt. Der Unterschied liegt in der Botschaft, nicht das Tabu im Thema.
Katja: Ich mag Kinderbücher, die spannend sind, lebendige Zeichnungen haben und – ganz nebenbei aber ohne den „erhobenen Zeigefinger“ Wissen vermitteln. Was muss in Ihren Augen ein gutes Kinderbuch haben?
Nicole: Im Vordergrund steht für mich ganz klar eine Geschichte, die anhand der Protagonisten Identifikation ermöglicht. Und ja – bitte ohne diesen Zeigefinger! Ich frage mich ernsthaft, warum so viele Erwachsene diese starke Pädagogisierung in Kinderbüchern erwarten. Weil sie ihr Kind selbst nicht unter Kontrolle bringen und diese Funktion auf Literatur abwälzen wollen? Es ist mir unerklärlich, dass Erwachsene von den Büchern, die sie selbst lesen, möglichst viel ‚Unterhaltung‘ erwarten, aber diese Unterhaltung ihren Kindern offenbar nicht zugestehen wollen. Auch Illustrationen machen für mich einen großen Reiz aus, allerdings nur dann, wenn sie die Fantasie der jungen Leser wecken und nicht im Keim ersticken. Im Spreewald-Buch hatte ich die große Freude und Ehre, mit der wunderbaren Claudia Gabriele Meinicke zusammenarbeiten zu dürfen, deren meisterhafte Illustrationen diese Fantasie fördern. Da ist alles handgemacht, ‚echt‘, ohne jede Computerbearbeitung und ohne harte, unverrückbare Konturen. Diese Bilder kann man im Geiste weitermalen, da gibt es eine Welt ‚dahinter‘.
Katja: Können Sie sich noch daran erinnern, welches Buch Sie als Kind oder Jugendliche gerne gelesen haben? Mit welchem Buch begann eventuell eine buchige Leidenschaft?
Nicole: Natürlich alles von Otfried Preußler – zu Anfang besonders ‚Das kleine Gespenst‘ und später ‚Krabat‘. Sehr gerne auch Michael Ende und manches (längst nicht alles) von Astrid Lindgren. Neulich ist mir erst in einem Gespräch mit meinem Mann wieder bewusst geworden, was ‚Pippi Langstrumpf‘ in den Siebzigern an Identifikationspotential für Mädchen bot, wo ansonsten weithin Wüste war. Sehr früh begann ich allerdings auch, Sachbücher zu lesen. Mein großes, bis heute nachhallendes Erlebnis war die Lektüre von „Götter, Gräber und Gelehrte“ von C. W. Ceram, das ich mit zehn zum ersten Mal – und dann immer wieder – las. Deshalb möchte ich einmal ein Jugendbuch schreiben, in dem die Archäologie eine wichtige Rolle spielt.
Katja: Wann war für Sie klar, dass Sie Kinderbücher schreiben wollen?
Nicole: Hm, ich würde das wahrscheinlich gar nicht so formulieren, wenn ich es mir recht überlege. Ich möchte immer genau dieses eine Kinderbuch schreiben. Insofern wäre der Beruf der Kinderbuchautorin wohl nicht das Richtige für mich, da es dann diesen Produktionsdruck gäbe, den ich nicht will. Simsalabim! Es soll so weitergehen wie bisher: Themen rollen mir wie Äpfel vor die Füße, Verlegerinnen fragen an, ob ich nicht Lust auf dieses oder jenes hätte.
Katja: Aktuell schreiben Sie, soweit ich das gesehen habe, ausschließlich Bücher für Kinder und Jugendliche. Könnten Sie sich einen Ausflug in ein anderes Genre vorstellen? Wo würden Sie sich eventuell mal ausprobieren wollen?
Nicole: Nein, ich habe auch schon im Sachbuchbereich gearbeitet und könnte mir das auch sehr gut wieder vorstellen, vielleicht auch einmal für Kinder. Für größere wissenschaftliche Projekte fehlt mir im Moment aber die Recherche-Zeit. Ideen hätte ich aber schon, und während meiner Doktorarbeit habe ich in diversen Archiven immer wieder wissbegierige Seitenblicke auf so manches kaum erforschte Thema geworfen … Und was die Belletristik betrifft: Ich habe schon einige Beiträge für Anthologien diverser Genres verfasst, die für Erwachsene bestimmt sind. Wahnsinnig gerne würde ich einmal einen Horror-Roman schreiben – auch hier sind schon einige Ideen skizziert.
Katja: Sie waren längere Zeit in Taiwan. Ich muss gestehen, außer dass ich in etwa weiß wo Taiwan liegt, habe ich keine weiteren Bezugspunkte zu dem Land. Wie sind Sie ausgerechnet auf Taiwan für eine längere Reise gekommen? Gab es etwas, was Sie besonders fasziniert hat? An den Menschen, der Kultur, der Landschaft?
Nicole: Glücklicherweise gibt es im Leben ja diese herrlichen Jungfrau-Kind-Plots! Als es darum ging, ein Land für eine Sprechlehrassistenz im Bereich Deutsch als Fremdsprache ‚auszusuchen‘, habe ich vor der langen Liste mit Möglichkeiten kapituliert, einfach die Augen zugemacht, bin mit dem Zeigefinger über die Tabelle gefahren, bis ich – tadaa! – bei Taiwan landete. Eine Insel mit Lummerland-Potenzial, übersichtlich und doch voller Abenteuer, dabei für eine allein reisende Frau gefahrlos zu erkunden. Zudem ist das alte ‚Formosa‘ das demokratische Gesicht Chinas und (lest jetzt mal weg, liebe Festland-Chinesen!) die kulturelle Schatzhüterin des Reiches der Mitte. Besonders genossen habe ich, dass ich kein einziges Wort verstand; das war wie ein Reset, bei dem ich mich total von der Menschheit erholte. Mit demselben Weltwissen eine U-Bahn zu betreten und sie wieder zu verlassen – göttlich! Wenn ich heute allerdings Mandarin mit taiwanischem Zungenschlag (vielleicht ist es dann auch Taiwanesisch, was es ja auch gibt) höre, kriege ich furchtbar heimatliche Gefühle. Dann möchte ich gleich einmal quer durch Taipei fahren, in buddhistischen Garküchen vegetarisch essen und in den wundervollen Buchhandlungen stöbern! Ach, es reißt mich hinfort, ich muss jetzt mit dem Thema echt aufhören!
Katja: Auf welche Bücher können sich Ihre Leser im Buchjahr 2019 freuen?
Nicole: Neben dem erwähnten „Abenteuer im Spreewald. Lilly, Nikolas und das geheimnisvolle Tagebuch“, das kürzlich im Kinderbuchverlag Biber & Butzemann erschienen ist – und nebenbei bemerkt wundervoll zur Osterzeit passt! – gibt es von mir auch einen zweiten Band im Rahmen der Gruselreihe ‚Fürchte dich!‘ des Kiel und Feder Verlags. Während letztes Jahr ‚Das Haus des Hexenmeisters‘ in die Zeit der Hexenprozesse von Salem entführen wollte, geht es dieses Jahr in ‚Die Rückkehr des Großmeisters‘ in das Spanien der Achtziger, wo aus einer Kleinstadt plötzlich Kinder verschwinden … Der Erscheinungstermin dieses Buches ist für den Spätsommer vorgesehen.
Katja: Und zu guter Letzt eine Frage, die jeder Autor in meinen Interviews gestellt bekommt: Auf meinem Blog geht es ja nicht nur um Bücher, sondern auch um mein zweites Hobby, das Kochen und Backen. Haben Sie ein Lieblingsrezept, welches Sie mit mir und meinen Lesern teilen möchten?
Nicole: Ja, das Rezept für meine Lieblingssuppe, die es bei uns immer zu Weihnachten gibt und die mit jedem Aufwärmen besser schmeckt (warum muss ich nur gerade an die Witwe Bolte denken?). Also dann:
Kichererbsensuppe mit Minze
Zutaten für 6 Personen:
3 Dosen à 240 g Kichererbsen (+ Brühe), 1 Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 80 g Lauch, 2 Essl. Olivenöl, 2 Salbeiblätter, 1 Lorbeerblatt, 1 Gewürznelke, 1 ½ l Gemüsebrühe, 80 g Möhren, ½ Teel. Zitronenthymianblättchen, 150 g Sahne, 100 g Dickmilch, frisch gemahlener weißer Pfeffer, Salz, 1 Essl. Minze, fein geschnitten, Saft von ½ Zitrone, einige Minzeblättchen zum Garnieren
Zubereitung:
Zwiebel und Knoblauchzehe schälen und fein schneiden. Den Lauch putzen, waschen und in feine Streifen schneiden. Die Kichererbsen abtropfen lassen, die Brühe aufheben. Einige Kichererbsen beiseite stellen.
In einem Topf 1 Esslöffel Olivenöl erhitzen und die Zwiebel mit dem Knoblauch, dem Lauch und den Kichererbsen darin etwa 8 Minuten bei mittlerer Hitze unter Rühren andünsten. Die Salbeiblätter, das Lorbeerblatt und die Nelke hinzufügen.
Mit der Gemüsebrühe und der Kichererbsen-Brühe aufgießen. Die Möhren schälen, in kleine Würfel schneiden und mit dem Zitronenthymian in die Suppe geben. Alles zugedeckt etwa 30 Minuten bei schwacher bis mittlerer Hitze kochen lassen.
Das Lorbeerblatt aus der Suppe nehmen. 1 Suppenkelle voll Kichererbsen beiseite stellen. Die restliche Suppe mit dem Pürierstab pürieren und die Sahne unterschlagen. Die Suppe etwa 5 Minuten schwach kochen lassen, dann die Dickmilch mit dem Pürierstab unterarbeiten. Die Suppe mit Pfeffer und Salz abschmecken, dann die Minze, 1 Esslöffel Olivenöl und den Zitronensaft unterrühren.
Die Suppe auf Teller verteilen, die beiseite gestellten Kichererbsen hineingeben und mit einigen Minzeblättchen garnieren.
Tipp: Dazu Croûtons servieren.
(nach: Christian Willrich: Gemüse für Feinschmecker. Köln: Bellavista, 2003; S. 50)
Liebe Katja, das ist ja wieder ein toller und spannender Beitrag! Ich finde es schön und dankenswert, dass Du Dir zur Aufgabe gemacht hast, auch die Menschen hinter den Büchern vorzustellen. Sehr interessant! Claudia