Im heutigen Interview, das im Rahmen der Aktion „Darf ich bitten: Deutschsprachige Autoren im Interview“ hier auf meinem Blog erscheint, steht uns Susanne Kliem Rede und Antwort und verrät uns dabei unter anderem etwas über das Thema Mobbing.
Für mich ist es gleichzeitig das 5. von 6 Interviews, das ich ihm Rahmen dieser Aktion führen durfte und somit das vorletzte in einer, wie ich finde, tollen Aktion.
Aber nun zum Interview und einigen interessanten Einblicken.
Katja: Liebe Susanne, damit der Leser Dich ein bißchen besser kennenlernen kann, erzähl uns erst einmal etwas über Dich. Was bringt Dich zur Weißglut und was macht Dir besonders viel Freude?
Susanne Kliem: Am meisten zur Weißglut bringen mich wohl rücksichtslose Menschen.
Die größte Freude macht mir das Schreiben – wenn es mir gelingt, in eine Art Flow zu geraten. Dann kommen mir Assoziationen und Bilder, die nicht vom Kopf gesteuert sind und ich stecke tief in der Atmosphäre und in den Figuren drin.
Katja: Wie schaut ein ganz normaler Arbeitstag bei Dir aus?
Susanne Kliem: Um 9:00 Uhr öffnet die Staatsbibliothek, wo ich fast jeden Tag sitze, um zu schreiben. Wenn ich im Internet recherchieren, Lesungen organisieren und telefonieren muss, mache ich das von zuhause aus. Ab dem Nachmittag bin ich dann für die Familie da.
Katja: Was machst du neben dem Schreiben?
Susanne Kliem: Schreiben. 😉 Nein, im Ernst, ich arbeite auch noch als freie Journalistin für das „Nadel Journal“, das ist die Fachzeitschrift für die Weihnachtsbaum- und Schnittgrünbranche.
Katja: Wenn du als Kind gefragt wurdest, was du mal werden willst, was hast du geantwortet?
Susanne Kliem: Ich hatte den Traum, zum Theater zu gehen. Und ich habe ihn ziemlich direkt nach dem Abi wahrgemacht und dann 7 Jahre als Regieassistentin und Regisseurin am Theater gearbeitet. Als Kind hat es mich immer fasziniert, wenn irgendwo eine eingeschworene Gruppe von Leuten zusammen war, wenn es so ein geheimnisvolles „Hinter den Kulissen“ gab. Ich wollte dann unbedingt dazu gehören. Vielleicht liegt das daran, dass ich ein Einzelkind bin. 😉
Katja: Was war das erste Buch, das du selbst gelesen hast, an das Du Dich noch bewusst erinnern kannst?
Susanne Kliem: Es war „Der kleine dicke Ritter Oblong-Fitz-Oblong“ von Robert Bolt – das war lange Zeit mein Lieblingsbuch.
Katja: Was ist für dich der perfekte Tag?
Susanne Kliem: Ausschlafen, ein ausgiebiges Frühstück mit Sekt, ein langer Spaziergang, Zeit zum Lesen, eine Sauna mit direktem Zugang zum Meer oder einem kühlen See…
Katja: Wer oder was inspiriert dich?
Susanne Kliem: Wenn ich gerade an einem Romanstoff arbeite, inspiriert mich fast alles, Filme, Theater, die Zeitung, aber auch eine ungewöhnliche Wolkenformation, ein Gesicht in der Menge, ein zufällig mitgehörter Dialog am Nebentisch.
Katja: Gibt es ein Zitat, ein Lieblingssatz aus einem Buch, das Dich immer wieder aufbaut oder vielleicht sogar ein Motto von Dir ist?
Susanne Kliem: Wie es bleibt, ist es nicht. Heiner Müller
Katja: Die Aktion „Darf ich bitten: Deutschsprachige Autoren im Interview“ entstand auf Grund einer Initiative von einigen Iron-Buchbloggern. Wir wollen damit erreichen, das die deutschen Autoren mehr in den Vordergrund gestellt werden, mehr Leser erreichen. Wie siehst Du das? Ist es schwer, als deutschsprachige Autorin auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen?
Susanne Kliem: Zunächst möchte ich euch dafür danken – das ist eine großartige Aktion!
Aus meiner Sicht ist es schon recht schwer, als unbekannte Autorin (ob deutsch oder nicht) überhaupt sichtbar zu werden. Die Flut an Spannungstiteln ist ja immens. Ich denke, es braucht drei oder vier Bücher, bis die Zielgruppe jemanden wahrgenommen hat. Unter den deutschsprachigen AutorInnen sind viele große Talente, und nach meinem Gefühl merken die LeserInnen das auch mehr und mehr.
Katja: Was würde mir ein Blick in Deinen eigenen Bücherschrank verraten? Liest Du mehr fremdsprachige Autoren, oder dominieren die deutschsprachigen?
Susanne Kliem: Eindeutig die Deutschsprachigen. Das liegt aber auch daran, dass es mich immer interessiert, was meine KollegInnen, von denen ich ja viele persönlich kenne und schätze, so Neues produzieren. Ich bin unter anderem mit ca. 800 KrimiautorInnen im „Syndikat“ vernetzt, viele davon ganz wunderbare und ungewöhnliche Menschen!
Katja: Es gibt zwei Arten von Menschen, die darüber nachdenken, einen Mord zu begehen – Psychopathen und Krimiautoren – so heißt es in einem Vorspann zu einer bekannten US-Serie. Ist es tatsächlich so, dass man als Krimiautor immer wieder darüber nachdenkt, einen Mord zu begehen?
Susanne Kliem: Also, ich persönlich kein bisschen. Ich bin ein ziemlich harmoniesüchtiger Mensch und hasse Gewalt und Konflikte im wirklichen Leben. Wenn ich gern literarisch morde, dann deshalb, weil mich die existenziellen Situationen faszinieren, in die Menschen geraten müssen, um so weit zu gehen. Der Abgrund, in den wir theoretisch wohl alle stürzen können …
Katja: Du hast bisher drei Krimis und einige Kurzkrimis veröffentlicht. Hast Du Dich auf dieses Genre „festgelegt“ oder kannst Du Dir nun auch vorstellen, andere Genres zu schreiben. Wenn ja, in welchem würdest Du Dich gern einmal ausprobieren?
Susanne Kliem: Innerhalb des Genres „Krimi“ gibt es ja schon große Unterschiede. Meine ersten zwei Romane waren Polizeiermittler-Krimis, richtige Whodunits, und nun habe ich ja den ersten psychologischen Thriller veröffentlicht. Ich bin also noch ganz neu in diesem Subgenre und werde erst mal dabei bleiben.
Katja: In dem Krimi „Die Beschützerin“ geht es um das zentrale Thema „Mobbing und Stalking“. Muss man, um es so detailliert beschreiben zu können, selbst Opfer gewesen sein?
Susanne Kliem: Nein, ich denke nicht. Fast jede war doch zumindest schon Zeugin von solcher Art Machtmissbrauch im Privaten – oder im Büro. Mit Mobbing habe ich aber in der Tat selbst eine schmerzvolle Erfahrung gemacht. Ich habe mich damals absolut hilflos gefühlt. Das Perfide besteht darin, dass nichts offen geschieht. Aber Mobbing ist ja nur ein Symptom. Mich interessieren vor allem die Ursachen dahinter. In meinem Thriller habe ich versucht, hinter die Fassaden blicken, hinter die der Opfer, aber auch hinter die der Täter.
Katja: Wie kommt man darauf, gerade Mobbing und Stalking zum zentralen Thema eines Krimis zu machen, darüber zu schreiben? Meistens wird es ja totgeschwiegen und gerade in Firmen heißt es dann „Mobbing? Bei uns gibt es das nicht.“
Susanne Kliem: Ich glaube, das Thema bewegt viele Menschen, und nicht umsonst wird es ständig in den Medien thematisiert. Ich meine außerdem zu beobachten, dass wir mehr und mehr zu Einzelkämpfern mutieren. Vielleicht weil uns das Gefühl von Sicherheit, Stabilität und Zugehörigkeit verloren geht. Leben als Single, vielleicht in einer anonymen Großstadt, häufige Jobwechsel, Fluktuation allüberall. Während wir den Eltern und Großeltern vorgeworfen haben, in starren Konventionen zu verharren, haben wir die Kultur der permanenten Veränderung erfunden: Eine Beziehung entspricht nicht den Erwartungen? Nix wie weg damit! Ein Job macht keinen Spaß? Der nächste her! Da sind viele Egos unterwegs. Wir wollen uns individuell verwirklichen, perfekt sein und dabei Spaß haben. Wem das nicht gelingt (und das sind die meisten), der ist frustriert und überfordert. Schnell entstehen da Neidgefühle. Mobbing vermittelt dem Täter oder der Täterin ein Gefühl der Stärke. Er oder sie verschafft sich die Kontrolle über einen anderen Menschen, vielleicht weil ihm die Kontrolle über sein eigenes Leben entglitten ist.
Katja: Und zum Schluss: Gibt es schon ein neues Projekt und wenn ja, magst du uns noch etwas darüber erzählen?
Susanne Kliem: In den nächsten zwei Monaten werde ich mein neues Manuskript abschließen. Es ist wieder ein psychologischer Spannungsroman, und er handelt von zwei Familien, die gemeinsam aus Berlin aufs Land in einen luxussanierten Hof ziehen, in eine Art „Edel-Land-WG“. Aber statt die erhoffte Idylle zu finden, entwickelt sich ihr Miteinander zu einem tödlichen Albtraum.
Der Roman erscheint im Herbst 2015 bei carl’s books.
Ich bedanke mich für Deine Zeit und wünsche Dir für die Zukunft weiterhin viel Erfolg mit Deinen Büchern.