Dieses Buch ist ein Rezensionsexemplar von einem Verlag gewesen. Ich wollte es eigentlich lesen. Ich habe es versucht, wirklich. Aber da ich so viele tolle Bücher auf meinem SUB habe, die darauf warten gelesen zu werden und mich das Buch überhaupt nicht angesprochen hat, habe ich es beiseite gelegt. Markus war da wesentlich tapferer als ich — er hat es gelesen und hier kommt seine Meinung zu diesem Buch. Aber zuerst kommt …
Katja’s Meinung zu dem Buch:
Oh mein Gott. Wenn ich mir die so begeisterten, überschlagenden Rezensionen zu „Lubetkins Erbe“ so anschaue, frage ich mich, was ich falsch gemacht habe. Denn ich kann mich diesen Rezensionen nicht anschließen.
Ich habe das Buch angefangen, habe etwa 50 Seiten konzentriert gelesen und dann … nur noch quergelesen. Ich kam weder mit dem Schreibstil noch mit dem schwarzen britischen Humor klar. Auch die Charakterisierung der Protagonisten lies mich nicht in Jubelstürme ausbrechen.
So habe ich das Buch jetzt beseite gelegt und warte darauf, dass mein Mann es irgendwann liest. Und dann bin ich gespannt, was er dazu sagt.
Markus Rezension:
Berthold ist am gleichen Tag geboren, wie George Clooney und auch er ist Schauspieler. Nur ist er Bühnenschauspieler und schon seit einer Weile sehr erfolg- und deshalb arbeitslos.
Darum ist er auch zu seiner Mutter zurück in ihre Wohnung gezogen. Lily residiert in einem der von Berthold Lubetkin gebauten Sozialbauten am Madeley Court in London.
Als sie plötzlich stirbt, hofft Berthold die Wohnung übernehmen zu können, den Mietvertrag zu erben. Doch er sieht bürokratische Hürden in seinem Weg und beschließt, die Bettnachbarin seiner Mutter aus dem Krankenhaus bei ihm einziehen zu lassen. Die alte Ukrainerin soll sich für eine Weile für seine Mutter ausgeben – doch die gute Inna ist reichlich verwirrt.
Violet ist eine junge Schwarze aus besserem Hause und stammt aus Kenia. Nach dem Studium hat sie einen begehrten Posten in einem Londoner Versicherungsunternehmen bekommen und zieht – übergangsweise – in eine Wohnung im Sozialbau am Medeley Court ein, direkt neben Berthold.
Die Geschichte wird so vor sich hin erzählt, bis zum Schluss will sich aber kein wirklicher Fluss entwickeln. Auch ist die Erzählung nicht geschlossen und statt einer Zusammenführung der Handlungsstränge scheinen diese sich im Verlauf eher aufzulösen. Am Ende bleiben viele offene Fragen. Dazu wirken, gerade gegen Ende, viele Wendungen arg konstruiert und sind sehr fraglich.
Auch ist, besonders im ersten Drittel des Buches kein Lesefluss zustande gekommen. Alles wirkte sehr angestrengt und kam nur quälend langsam in Gang.
In der Mitte des Buches, als die Geschichte Fahrt aufnimmt und man hofft, dass der versteckte Sinn sich offenbart, fangen die Protagonisten an zu nerven.
Berthold nervt, da er ein notgeiler Versager mit Komplexen ist, der das Geld nicht beisammen halten kann und scheinbar tief in der Midlife-Crisis steckt. Die ständigen Vergleiche mit George Clooney nerven irgendwann nur noch. Klar, es werden seine Schicksalsschläge beleuchtet, aber er bleibt trotzdem ein unsympathischer, notorischer Lügner und damit ein bescheidener Hauptakteur.
Violet hingegen ist unnatürlich idealistisch, zum Teil völlig naiv und hat den blinden Aktionismus einer Studentin im ersten Semester. Dass sie eine Frau Mitte 20 sein soll, nimmt man ihr nicht ab.
Gegen Ende der Geschichte werden die Zeitsprünge immer größer, alles ist überhastet. Man hat das Gefühl, das Buch musste fertig werden. So richtig sinnhaltig wirkt das nicht – wie bereits gesagt: Offene Enden und arg konstruiert.
Das (vermutliche) Hauptthema des Buches ist aber die Gesellschafts- und Systemkritik. Diese ist in einigen Szenen überdeutlich und wird einem um die Ohren gehauen, in anderen ist sie zurückhaltend und eher versteckt.
Bezüglich der auftauchenden Haupt- und Nebencharaktere strotzt das Buch vor Vorurteilen und sehr – sehr! – schlichten Denkmustern.
Natürlich ist der gutaussehende und charmante britische Chef kein Gentleman, sondern gräbt die neue Mitarbeiterin hoffnungslos an, beutet ruhigen Gewissens andere aus und hinterzieht seine Steuern. Natürlich wird die aufmüpfige Schwarze von ihren Landsmännern entführt, bedroht und zusammen geschlagen – anders geht man in Afrika nicht miteinander um.
Und selbstverständlich säuft auch die tattrigste alte Ukrainerin viel Wodka, kennt nur 3 Gerichte, kann auch nach 40 Jahren kein richtiges Englisch und singt über das tolle Leben in der Sowjetunion.
Auweia, Vorurteile entlarven leicht gemacht.
Noch etwas zum Schluss. Was mich besonders nervte war, dass mit der Sprache zu sehr gespielt wurde. So wurde aus einem Herrn Lukaschenko, der er muskulöser Mann war, für den Rest des Buches „Lukaschranky“ – sowohl in wörtlicher Rede, als in der Erzählerperspektive. Das, um nur ein Beispiel genannt zu haben, hat mich extrem genervt.
Ich weiß gar nicht mehr so genau, warum ich in meinen Notizen ganz oben 3 von 5 Sternen vergeben habe. So richtig empfehlen würde ich das Buch nicht wirklich. Zwischendurch ging es. Ich war froh, als ich es zuklappen konnte. Dankbar, dass es kein 700 Seiten hatte: 2,5 von 5 Sternen.
Daten:
Autor: Marina Lewycka
Titel: Lubetkins Erbe oder Von einem, der nicht auszog
Broschiert: 448 Seiten
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (November 2017)
ISBN 978-3423261609
Originaltitel: The Lubetkin legacy