2019, als es noch richtige Buchmessen gab, besuchten wir die „Dresden (er)lesen“ Messe in der Albrechtsburg. Im Spiegelsaal, während Katja sich mit einer Autorin unterhielt, fiel mir ein Buchcover auf. Nicht weil es besonders bunt oder aufwendig gestaltet, sondern weil es sehr schlicht gehalten war. Groß stand „5,8“ darauf, kleiner darunter „Menschen“, sowie das Piktogramm von 5 Menschen, von denen einer eine Schwangere darstellte. Es machte Sinn – 5 Menschen und ein bisschen – derartige Sinnbilder finde ich gut.
Katja kaufte das Buch, dessen Klappentext mich ein wenig ratlos zurückließ, schließlich.
Worum geht es? Im Prinzip um 5 Personen und ihre Geschichten. Robert, der bei den Frauen einfach kein Glück hat, sich aber über alles bemüht. Kenneth, der als Arzt erfolgreich ist, aber eigentlich lieber Schriftsteller wäre. Arthur, der seinen Lebensabend im Altenheim verbringen soll, was ihm zutiefst zuwider ist. Tucker, dessen Eigenschaften von unpünktlich und chaotisch, über faul bis arbeitsscheu gehen. Zuletzt noch June, eine schöne junge Frau mit faszinierenden grünen Augen, deren Handicap sie nicht davon abhält, glücklich zu sein und dieses Glück auszustrahlen.
Die 5 Personen wohnen in der Australischen Stadt Perth, was ein ungewöhnliches Setting ist, aber rückblickend betrachtet kaum eine Rolle spielt. Zwischendurch sind zwei der Protagonisten auch in Leipzig, doch auch das spielt keine tragende Rolle.
Ein Großteil des Buches beschreibt die jeweilige Situation der 5, ihr Leben, ihre Macken, ihre Beweggründe und ihre Schicksale. Unterschiedlicher könnten sie kaum sein und so kommt das Buch auch mit nur sehr wenigen Nebencharakteren aus. Jeder sieht die Welt auf seine Weise, wird von seinen Erlebnissen geformt und so kreuzen sich nach und nach ihre Lebenswege. Die 5,8 Menschen, denn June ist zu diesem Zeitpunkt schwanger, werden zu einer Schicksalsgemeinschaft. Der Ausgang dieser Begegnung bleibt dabei lange offen und hat mich ehrlich gesagt schon sehr bewegt.
Dabei ist die Erzählgeschwindigkeit – sagen wir es mal so – gewöhnungsbedürftig. Wird nicht selten seitenlang über die Gedankenwelt, Träume, das wie und warum ausgeführt, passiert dann wieder alles ganz schnell und man wird vor vollendete Tatsachen gesetzt. Gerade zum Ende zu ist das ein wenig befremdlich.
Daher fällt mir auch die Bewertung des Buchs sehr schwer. Die Charakterzeichnung ist positiv herauszuheben, selten zuvor war mir über so viele Seiten die Hintergrundgeschichte von allen Hauptcharakteren bewusstgemacht worden. Die tragischen Ereignisse, die die eigentliche Handlung bilden machen dagegen gefühlt nicht einmal ein Drittel des Buches aus.
Ungewöhnlich beschreibt es am besten, wie ich dieses Werk bezeichnen würde. Eine Sternebewertung fällt mir daher schwer.
Bereue ich, dass ich dieses Buch gelesen habe? Nein. Hätte ich mir die Geschichte anders gewünscht? Ja. Aber dann verlöre es möglicherweise auch seinen Reiz, seine Besonderheit.
Wer mal einen gänzlich anderen Roman abseits des Mainstreams lesen will, bei dem die Protagonisten wichtiger als die eigentliche Handlung sind, der darf sich gern auf das Experiment einlassen. Wer Schema F sucht, wird hier hingegen nicht fündig.
Daten:
Autor: Sebastian Ringel
Titel: 5,8 Menschen
Herausgeber: Plöttner (März 2010)
Taschenbuch : 220 Seiten
ISBN: 978-3938442814