Kristina Valentin, besser bekannt als Kristina Günak oder Kristina Steffan, bringt ein neues Buchbaby auf den Markt und das ist ein ganz besonderes Buch. Ich durfte es bereits lesen und bin sehr begeistert. Ich habe die Chance genutzt, und ein weiteres Interview mit der sympathischen und liebenswerten Autorin gemacht. Hauptthema war natürlich der neue Roman „Ein Sommer und ein ganzes Leben“.
Katja: Es ist mal wieder soweit, wir treffen uns zu einem gemeinsamen Interview. Wie geht es Dir?
Kristina: Prima! Ich freu mich auch, dich endlich mal wiederzutreffen! Mir geht es gut, der Frühling und ein neues Buch stehen vor der Tür.
Katja: Wenn man als Autor einen neuen Roman herausbringt, ein Buchbaby präsentiert, ist man immer besonders aufgeregt. Nun weiß ich, dass der Roman „Ein Sommer und ein ganzes Leben“ ein ganz besonderes Herzensprojekt von Dir ist. Ist man da noch aufgeregter?
Kristina: Ja und nein. Ja, weil jede Veröffentlichung mit Herzkribbeln und erhöhtem Puls verbunden ist. Man hat so lange an diesem Projekt gearbeitet, hat in der Geschichte gelebt, sie gefühlt und oft genug beim Schreiben auch gelitten, dass sie natürlich immer ein Teil in meinem Autorenherz bleiben wird. Und nein, weil das Buch schon seit vielen Monaten fertig ist und ich einen gewissen Abstand gewonnen habe. Ich sitze schon am nächsten Roman und feiere dort meine Figuren, lasse sie leiden (und sie mich) und plotte, dass mein Hirn Saltos schlägt.
Katja: Heute sitzt Du nicht als Kristina Günak sondern als Kristina Valentin vor mir. Das ist dann, wenn ich richtig gezählt habe, der 3. Name unter dem Du einen Roman veröffentlichst. Warum ein weiteres Pseudonym?
Kristina: Grundsätzlich sind Pseudonyme für einen Genrewechsel sinnvoll. Mit „Ein Sommer und ein ganzes Leben“ lege ich zwar keinen kompletten Genrewechsel hin, aber der Roman hat doch einen anderen, einen neuen Tonfall. Ich bin mir sicher, dass meine LeserInnen mich glasklar erkennen, und doch hat sich eine andere Nuance in die Worte geschlichen. Insofern finde ich den neuen Namen sehr passend.
Katja: „Ein Sommer und ein ganzes Leben“ hat einen ganz besonderes Protagonisten: David. Er sitzt im Rollstuhl und ist damit einer der wenigen Protagonisten die ich kenne, die ein Handicap haben. Wie bist Du auf die zu dem Buch gekommen?
Kristina: Oh! Und er hat äußerst attraktive Lachfalten um die Augen, kann zum Niederknien charmant sein und trägt manchmal einen gelben Kapuzenpullover, womit er der einzige Mensch auf der Welt ist, dem Gelb wirklich fantastisch steht. Die Tatsache, dass er im Rollstuhl sitzt ist ein Aspekt. Auf den ihn die Umwelt gerne reduziert.
Mit einer sichtbaren Behinderung kannst du ja eigentlich nicht mal zum Bäcker gehen, ohne angestarrt zu werden. Wir haben aber 10 Millionen Menschen mit Behinderung in Deutschland. Wo sind die denn? Zumindest finden sie in Literatur und Film kaum statt und wenn doch, um Leid und Schmerz zu verkörpern. Die Behinderung scheint etwas zu sein, was überwunden werden muss. Aber Ende wird alles gut, im Sinne von, der Mensch mit Behinderung wird doch noch geheilt. Das war mir schon immer äußerst suspekt. Die Menschen mit Behinderung in meinem Freundes- und Bekanntenkreis haben Partnerschaften, Kinder und/oder Hunde und müssen dazu noch einen großen Mehraufwand an Energie für Auseinandersetzungen mit Krankenkassen aufbringen, sich über nicht funktionierenden Aufzügen (gerne an Bahnhöfen, wenn der Zug schon am Gleis steht) und viel zu steile Rampen ärgern. Ich wollte einen Roman schreiben, in dem der Hauptprotagonist einfach eine Behinderung hat. Wie so viele Menschen. Und er lebte sein Leben mit dieser Behinderung, nicht trotz.
Katja: War es schwierig, einen Verlag zu finden, der einen Roman veröffentlicht, in dem ein Rollstuhlfahrer eine zentrale und sehr wichtige Rolle spielt?
Kristina: Zum Glück nicht. Der Diana Verlag ist immer sehr offen für spannende Projekte. Ich denke auch, man merkt deutlich, dass dieses Thema endlich in der Luft liegt. Genauso wie die Tatsache, dass auch Sprache sich verändern muss. Wenn man kurz darüber nachdenkt, wo der Unterscheid zwischen den Formulierungen Behinderter und Mensch mit Behinderung liegt, wird es klar. Das erste ist eine in sich geschlossene Gruppe, die, die anders sind, das andere ein Mensch mit Behinderung.
Ich halte es da als Schriftstellerin durchaus mit Pipi Langstrumpf. Ich mache die Welt, wie sie mir gefällt. In meinem Romanen spielen sämtliche Farben des Lebens mit, ohne dass sie bis ins letzte Molekül erzählt und thematisiert werden. Das Alltägliche definiert die Norm. Der Nachbar meiner Protagonistin ist schwul und verheiratet. Er ist einfach eine Figur in meinem Roman, ohne dass sein Schwulsein jemals thematisiert werden müsste. Die Blumenhändlerin spricht in Gebärdensprache und das Nachbarskind benutzt einen Rollstuhl. Weil es normal ist.
Katja: Ich weiß, dass Du, um Dich in David hineinversetzen zu können, Dich selbst mal in einen Rollstuhl gesetzt hast und „Hürden“ im Alltag versucht hast zu bewältigen. Was hast du dabei empfunden? Bekommt man erst, wenn man selbst „in dieser Lage ist“, einen Blick für Rollifahrer?
Kristina: Ich brauchte diesen Perspektivwechsel um mich besser in David hineinversetzen zu können. Um besser über seinen Alltag schreiben zu können. Aber mir ist auch klar, dass drei Tage Rollstuhltraining eine andere Nummer sind, als den Rollstuhl für die Mobilität im Alltag zu benötigen. Ich kann zur Not aufstehen. Wenn ich irgendeine Stufe nicht bewältige, umkippe (Himmel, hatte ich die ganze Zeit Angst davor!), ein Bordstein zugeparkt oder eine Rampe zu steil ist.
Dann kam allerdings der Supermarkt und das war wie eine Erleuchtung. Perfekter Boden, breite Gänge, Platz, automatische Türen. Keine Stufen, Rampen, komplizierte Bauten, die das Rollstuhlfahren so schwierig machen. Susanna hat sich kaputtgelacht über mich, weil ich immer sagte: „Das geht hier ja wie auf Butter!“ Und natürlich war das Eis in der Kühltruhe unerreichbar und wir mussten um Hilfe bitte, aber das Vorwärtskommen ging im Supermarkt ganz hervorragend. Der Rollstuhl ist nicht das Problem, er ist Mobilität.
Die drei Tage mit dem Rollstuhl haben mich doch wenigstens befähigt, Davids Alltag zu erahnen. Dennoch hatte ich hinterher fachkompetente Beratung, ob sich meine Vorstellung nun auch mit der Realität deckt.
Katja: Beim Schreiben des Buches stand Dir Susanna zur Seite, eine junge Frau die selbst seit vielen Jahren im Rollstuhl sitzt und die wir beide gut kennen. Was konnte sie Dir noch für Tipps, Tricks und Hinweise geben
Kristina: Wir hatten drei großartige Tage und haben viel gelacht. Und gut gegessen! Susanna kocht einfach fantastisch. Sie hat zum Beispiel einen hervorragenden Gemüseauflauf im Repertoire, den es jetzt bei mir auch häufig gibt.
Von ihr stammt der Satz: Du musst die Situation radikal annehmen. Die brutale Wortwahl bringt es auf den Punkt und betrifft doch irgendwie alle Lebensbereiche und schwerwiegenden Veränderungen im Leben. Unabänderbare Situationen, die man annehmen lernen muss, weil man sonst zerbrechen würde. Krisen, die, auch wenn sie überstanden sind, das Leben auf den Kopf stellen.
Katja: Als Autor wartet man ja immer ganz gespannt auf die ersten Rezensionen, die ersten Rückmeldungen von Lesern. Ist das bei einem Herzensprojekt noch schlimmer? Fiebert man dann noch mehr auf die ersten Meldungen hin? Hat man vielleicht sogar ein wenig „Angst“ wie die Leser das ganz andere Thema – und es ist ja anders als die Bücher die Du bisher geschrieben hast – aufnehmen?
Kristina: Ich hatte bisher immer starke Themen in meinen Bücher, die zwar oft nicht zur Gänze auserzählt wurden, aber die meine Figuren beeinflusst haben. Meine Figuren sind immer sehr echt, aus dem „Leben gegriffen“, wie einige LeserInnen es formuliert haben. Insofern ist „Ein Sommer und ein ganzes Leben“ nicht ganz anders, denn auch Katharina hat starke Gefühle und eine Vergangenheit im Gepäck.
Es geht in meinen Büchern immer um das pure Leben. Um emotionale Vernachlässigung, Sehnsucht nach Zugehörigkeit und menschlicher Nähe, Einsamkeit, Angst und Trauer. Und eben Liebe. Gibt es ein stärkeres Motiv? Ich glaube nicht. Es passiert alles aus Angst oder Liebe!
Katja: Auf welche weiteren Buchprojekte von Dir dürfen sich Deine Leser in diesem Jahr noch freuen? Steht vielleicht wieder eine Zusammenarbeit mit Stefanie Ross an? Oder gehst du neue Wege?
Kristina: Aktuell arbeite ich an einem ganz zauberhaften Roman, mit einem klitzekleinen magischen Element. Die Natur spielt die Hauptrolle und ich genieße es so sehr meine Leidenschaft, nämlich das Gärtnern, in die Geschichte einzuweben. Das Buch wird 2019 erscheinen. Dann folgt in diesem Jahr noch ein weiterer Roman, der noch keine Berechtigung hat, schon Gestalt anzunehmen und doch schleicht sich die Geschichte schon hin und wieder in meinen Kopf.
Und dann gibt es ja noch den 7. Band von Eli. Ich habe fürchterliche Hegewald-Sehnsucht! Weswegen ich auch gerade eine kleine Mini-Lesungs-Serie von Eli auf meiner Homepage und bei Facebook veröffentliche. (Können wir hier einen Link setzten?) Und den 3. Teil der Vampire. Steffi und ich haben auch noch so viele Ideen, ihr dürft gespannt sein.
Es gibt viel zu tun. Ich freu mich drauf. 😉
Katja: Und zu guter Letzt – wie immer – die eine Frage, die jeder Autor in meinen Interviews gestellt bekommt:
Auf meinem Blog geht es ja nicht nur um Bücher sondern auch um mein zweites Hobby, das Kochen und Backen. Hast Du ein Lieblingsrezept, welches Du mit mir und meinen Lesern teilen möchtest?
Kristina: Erdbeeren mit Sahne!
Erdbeeren pflücken. Im Garten oder beim Bauern. Mittags in der Sonne. Waschen, putzen, zuckern (Muss sein! Echt! Kein Mensch isst ja mehr Zucker, aber nur so funktioniert dieses Rezept.), Sahne schlagen. Unbedingt Bio Sahne verwenden. Das ist die Sahne, bei der sich der Rahm oben absetzt. Für die braucht man dann wiederum keinen Zucker. Alles in eine Schüssel geben, sämtliche Familienmitglieder aussperren (ich gebe davon nichts ab), Handy aus, in einen Sessel setzten und genießen.
Wie immer ein tolles Interview. Das Buch ist gerade bei mir eingetrudelt und jetzt bin ich erst recht heiß aufs Lesen.
Das mit den Erdbeeren probiere ich definitiv mal aus.
Ich freue mich darauf, euch in Leipzig zu sehen.
Danke für das Lob liebe Heike.
Ich – wir – freuen uns auch schon darauf, Dich in Leipzig wiederzusehen