Eine Gastrezension von Katja Völkel – Kochbuch-Autorin und Verlegerin
Es war einmal … in der Dresdner Neustadt, da gab es ein kleines, unauffälliges Restaurant, in das ich mehr zufällig als gezielt gestolpert bin. „Hindukusch, afghanische Küche“, stand auf dem Schild. Warum nicht mal probieren? Aus dem Zufallsfund wurde eine regelmäßige Adresse für ein schnelles Mittagessen. Umso trauriger war ich, als der „Hindukusch“ eines Tages geschlossen hatte.
Das Flair dieses kleinen Restaurants mit seinen bunten Wandteppichen und den vielen Bildern aus Afghanistan kann man natürlich nicht so einfach ins heimische Wohnzimmer zaubern, aber vielleicht klappt es ja geschmacklich. Zur Unterstützung habe ich mich an Sarghuna Sultanies Buch „Afghanische Küche. Rezepte und Geschichten aus meiner Familienküche“ gehalten, erschienen im Dorling Kindersley Verlag. Der Rückentext verrät: „Sarghuna Sultanie nimmt Sie mit auf eine geschmackliche Entdeckungsreise nach Afghanistan. In kleinen Anekdoten erzählt die Autorin von ihrer Heimat und ihrer Familie. Die über 80 Rezepte bringen den Geschmack und die Küche des Landes zu uns nach Hause.“ Na, genau das suchte ich doch. Authentische Küche, eine Abwechslung für die Geschmacksknospen.
Der erste Eindruck? Ein schön wie einfach gestaltetes Buch. Was ich besonders mag: Nachhaltiger Druck, FSC-konform. Das Papier fässt sich schön an, die Verarbeitung des Buches ist hochwertig, mit Lesebändchen, ein kompaktes Hardcover umgreift 224 Seiten. Ansprechende Fotografien bringen eine schöne Atmosphäre.
Vor dem Rezeptteil erfahren wir erstmal etwas über Afghanistans Essenstraditionen, deren Einflüsse, über seine Reisvariationen, die Fleischzubereitung und die gern verwendeten Kräuter und Chutneys.
Mhhh, da kommt schon ein kleiner Appetit. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis sagt, dass sich die Rezepte in verschiedenen Kategorien wiederfinden:
- Getränke, Brot und Chutneys
- Salate, Suppen und kleine Gerichte
- Fleisch- und Gemüsegerichte
- Reisgerichte
- Süßes und Gebäck
Schwer, sich da für eine Auswahl zu entscheiden, aber ich versuche es mal mit dem in Afghanistan beliebten und viel verwendeten Korianderchutney, Teigtaschen mit Lauch, Kalbsfleisch mit Kirschen und Basmatireis und als Abschluss einen Milchreis mit Rosenwasser und gehackten Pistazien, wie ich ihn schon in der Küche der Levante kenne und liebe.
Meine Bedenken, dass ich die Zutaten in den Supermärkten nie finden werde, werden schnell vom Tisch gefegt, denn die benötigten Lebensmittel sind doch recht übersichtlich und nie kompliziert. Ich lese viel von Kardamom, Kurkuma, Knoblauch und Koriander – offenbar die magischen 4 K der afghanischen Küche. Die bekommt man im gut sortierten Supermarkt oder man geht in ein türkisches oder arabisches Lebensmittelgeschäft. Die Süßspeisen werden oft mit Pistazien oder Blütenwasser verfeinert, auch das findet man spätestens beim Araber. Oft sind genau die komplizierten Zutatenlisten in „fremden“ Küchen die Momente, in denen ich aufgebe. Hier nicht, daher fix ab zum türkischen Supermarkt meines Vertrauens, frische Kräuter, Pistazien, Nüsse, Kalbsfleisch geholt, den Rest habe ich sowieso vorrätig. Und los geht’s!
Ich beginne am Vortag mit dem Milchreis, denn der darf auch gern kalt gegessen werden. Der Duft von Rosenwasser schwebt durch die Küche, langsam den Reis gekocht nach Anleitung, Kardamom, Zucker und Rosenwasser eingerührt, alles mit gehackten, frischen Pistazien bestreut (Unbedingt die grünen, noch ein wenig unreif geschälten Pistazien aus dem türkischen/arabischen Supermarkt nehmen. Die haben genau das richtige Aroma und eine herrliche Farbe.) und ab in den Kühlschrank damit. Davor natürlich mal eben genascht: Lieblingsbeschäftigung beim Kochen! Herrlich, diese Süße. Was so ein Schwapps Rosenwasser und Kardamom an Unterschied macht. Mit „normalem“ Milchreis lockt man mich jedenfalls nicht so, wie mit diesem aus der arabischen/afghanischen Küche.
Am Vortag weiche ich auch schon den Reis fürs Hauptgericht in Wasser ein.
Jetzt ist das Chutney dran. Koriander ist ja so ein Kräutchen, an dem sich Geschmäcker teilen. Ich kann nicht genug davon haben und freue mich über das grüne Glück. Schnell hergestellt ist das Chutney, dem Pesto ähnlich, nur dass es ohne Olivenöl, dafür mit Essig oder in meinem Fall viel Zitronensaft auskommt. Bitter, und gern ein wenig scharf durch die (optional eingesetzten) Chilis. Und einen Zahnarztbesuch sollte man dank Knoblauch danach auch nicht unbedingt einplanen. Das Chutney fülle ich ab in ein Glas und deponiere es im Kühlschrank. Schon beim Abschmecken merke ich: Das kann ich mir auch so gut für Fischgerichte vorstellen.
Nächster Tag: Nun geht es ans Kalbfleisch. Das simmert, in Würfel geschnitten, eine ganze Weile vor sich hin, bevor es mit Kirschsaft blutrot gefärbt wird. Später gesellen sich auch Kirschen dazu, der Basmatireis (tschalau nennt er sich, der mit Kreuzkümmel versetzte, lockere Basmatireis) duftet verführerisch. Das Gericht findet sich im Buch unter dem Namen Qorme Allubalu. Abschmecken und für sehr toll befunden!
Die Teigtaschen habe ich in der Zeit, in der das Fleisch schmorte, zubereitet. Ein einfacher Teig aus Mehl, Wasser und Salz mit einer Füllung aus Lauch, Salz und Cayennepfeffer – mehr ist das nicht. Allerdings musste der mindestens eine Stunde vor Verarbeitung angemischt werden. Zu den Bolanie wird Joghurt gereicht.
Ich stelle fest: Die afghanische Küche kommt mit wenigen Zutaten aus, das ist absolut kein Hexenwerk. Die Gerichte schmecken alle frisch und pur, ohne Schnickschnack, haben aber alle eine besondere Note. Man muss mit Kardamom und Koriander klarkommen, dann wird man die afghanische Küche mögen. Ich vermisse aus dem kleinen Restaurant auch den mit Zimt und Rosinen gewürzten Reis, serviert, zum Nationalgericht Qabili Palau, das auch in diesem Buch nicht fehlt und was ich mir sicher dank dem Buch selbst in die Küche holen werde.
Ob es auch pochierte Eier mit Aprikosen sein müssen, weiß ich noch nicht, aber die afghanische Küche hat auf jeden Fall für jeden etwas dabei: vegetarisch, für Fleischliebhaber, süß, … Das Kalb in Kirschsoße kommt auf jeden Fall nochmal auf den Tisch, das war extrem zart und lecker. Die Teigtaschen mit Lauch konnte man auch am nächsten Tag noch genießen, zu einem starken Schwarztee mit Kardamom passten die auch perfekt.
Die Zubereitung ist dank des Buches recht einfach und macht Lust auf mehr.
Ein wenig mehr Landeskunde hätte ich mir noch gewünscht, das finde ich neben den Infos zum Essen und Essenstraditionen immer ganz spannend. Und über Afghanistan weiß ich tatsächlich viel zu wenig, wie ich mir eingestehen muss. Das ist aber auch wirklich der einzige Kritikpunkt.
Sarghuna Sultanie: Afghanische Küche. Rezepte und Geschichten aus meiner Familienküche.
Erschienen im Dorling Kindersley Verlag, Hardcover mit 224 Seiten, 32,95 €
Enthält 80 Rezepte.