Manchmal komme ich mir vor wie meine Oma, die mir die Liebe zum Lesen vermittelt hat. Immer, bevor sie meiner Cousine oder mir Bücher geschenkt hat, hat sie diese vorab gelesen. Sie wollte damit herausfinden, ob das Buch schon etwas für uns sei. Und genau so mache ich es aktuell, wenn ich meinen Kindern – oder den Kindern von Freunden – Bücher schenke. Einen Teil der Bücher lese ich vorher – so auch dieses.
Wer kennt nicht Dr. Dolittle, der Tierarzt der mit seinen Patienten sprechen kann? Ich mochte die Filme sehr und so manches Mal – im Umgang mit meinen Katzen oder den Falken und Eulen, die ich so gerne besuche, wünschte ich mir, auch mit Tieren reden zu können.
Das Buch aus der Feder von Luke Gamble sprang mich auf Grund des Covers regelrecht an – es war wunderschön und fantasievoll gestaltet und zeigte gleich, um welche besonderen Tiere es gehen würde.
Mich erwartete ein recht unterhaltsamer Plot, der viele berührende Momente hat, traurige, aber auch unzählige lustige. Besonders als Edie ihre Gabe entdeckte und anfing, mit den Tieren zu kommunizieren. Herrlich die Motten, die ums Licht tanzen. Aber auch die anderen Begegnungen mit den besonderen Tieren waren sehr gut beschrieben.
Der Schreibstil ist besonders für Kinder gut geeignet – einfach und verständlich gehalten, dabei aber sehr bildhaft so, dass man sich die Szenen ohne viel Mühe auch richtig vorstellen kann. Etwas, das gerade für Kinder wichtig ist.
Die Geschichte ist fast durchweg so spannend geschrieben, dass man gerne dranbleibt. Auch wenn dann doch die ein oder andere Länge das Buch unnötigerweise die Geschichte künstlich verlängert und kurzzeitig im Lesefluss hemmt.
Edie ist ein sehr taffes Mädchen, das trotz der widrigen Umstände stark ist. Manchmal aber auch zu stark. Mir kann keiner erklären, dass ein Mädchen in dem Alter alles widerspruchslos mitmacht, immer lacht und alles hinnimmt. Ich habe ein 9jähriges Mädchen zu Hause und wenn sie so agieren würde, würde ich mir tatsächlich Sorgen machen. So taff und abgebrüht, wie sie alle Gefahren wegsteckt. Das ging mir dann doch zu leicht. Ja, es ist ein Kinderbuch mit einer starken Heldin, aber auch Kinder verstehen, dass man nicht immer stark sein kann und muss.
Die Bösewichte, die im Buch auftreten, haben es auf die seltenen Tiere abgesehen und würden alles dafür tun, um sie zu bekommen – Tod oder Lebendig. Diese Szenen empfand ich – gerade für das empfohlene Lesealter – streckenweise zu brutal und verstörend. Auch wenn die Welt tatsächlich so ist, und die Geschehnisse absolut realistisch sein könnten – wenn man statt der Yeti und anderen besonderen Tiere eher Nashörner, Elefanten etc. einsetzt.
Was mich ebenfalls noch ein bisschen gestört hat: es bleibt offen was mit Ediths Eltern passiert ist. Darauf wurde im Buch überhaupt nicht eingegangen und hinterlässt bei mir ein großes Fragezeichen im Kopf.
Würde ich das Buch meiner Tochter, die jetzt 9 Jahre alt ist, zu lesen geben? Nein. Jetzt noch nicht. Wenn sie so 11 oder 12 Jahre alt ist, dann sicher sehr gerne, aber aktuell finde ich, dass das Buch noch nichts für ihre Altersstufe ist.
Von mir bekommt das Buch 4 Sterne – die Idee ist sehr gut, die Cover- und Innenseitengestaltung gefällt mir und die Geschichte ist, bis auf wenige Kanten, doch recht rund und wunderbar beschrieben.
Daten:
Autor: Luke Gamble
Titel: Die Gesellschaft der geheimen Tiere
Herausgeber: dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG (Juli 2023)
Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
ISBN: 978-3423641098
Lesealter: ab 9 Jahre (ab 12 Jahre)