Auf diesem Blog dreht es sich rund um Bücher, Rezensionen, Buchvorstellungen, Interviews und das Kochen von leckeren Speisen aus Topf und Pfanne.

Hongkong – Stadt der Gegensätze

Es gibt Orte auf dieser Welt, an die ich von selbst nicht reisen würde. Bei China bin ich sehr unentschieden – zum einen, weil ich schon da war und zum anderen, weil es doch ein sehr kontroverses Land ist.

Da ich dienstlich und nach über 10 Jahren erneut eine Reise in das Reich der Mitte unternehmen durfte, konnte ich neue Eindrücke sammeln.

Während es früher eher in die Regionen Shanghai, Peking, Qingdao und Changchun ging, war nun ein bisher unbekannter Landstrich an der Reihe: Südchina mit Hong Kong und Shenzhen.

Doch um Shenzhen, die Metropole mit über 17 Millionen Einwohnern, soll es nicht gehen. Das Wochenende während meiner Dienstreise verbrachte ich nämlich nicht in Festland-China, sondern in der Sonderverwaltungszone Hongkong.

Über Hongkong, seine Geschichte, Einwohner und Besonderheiten gibt es, glaube ich, unendlich viel zu erzählen und dass würde den Rahmen hier sprengen. Ich möchte kurz einen Einblick in (meine) 2 Tage Sightseeing geben.

Da ich in einem Hotel an der Chinesischen Universität nahe des Science Parks übernachtete, hieß es an beiden Tagen: Ab zur Metro!

Die East Rail Line, die auch zu zwei Grenzübergängen Richtung Shenzhen fährt, bringt einen zuverlässig an alle wichtigen Orte, die einen guten Startpunkt für eine Stadtbesichtigung ausmachen: Entweder nach Kowloon, der Halbinsel nördlich des Victoria Harbour, oder weiter nach Hong Kong Island. Apropos Inseln. Hongkong besteht aus 263 Inseln. Nicht alle sind bewohnt und der durchschnittliche Tourist wird es kaum schaffen auch nur 5% von ihnen zu besuchen.

Wichtig sind eigentlich, neben Hong Kong Island, Kowloon und Lantau. Letztere habe ich nicht geschafft, da ich mich auf die Innenstadt und das Gebirge um den Victoria Peak konzentriert habe.

Auf der nördlichen Halbinsel Kowloon, gibt es eine unglaubliche Dichte an allem. An der „Avenue of Stars“ im Stadteil Tsim Sha Tsui kann man bei bestem Hafenblick die Hand- und Fußabdrücke von vielen asiatischen Filmstars finden. Abends (20Uhr) gibt es mit „A Symphony of Lights“ eine farbenfrohe und musikalisch untermalte multi-media Show, bei dem das Hafengebiet weithin sichtbar in Licht und Farben erstrahlt. Selbst bis auf die Bergketten von Kowloon und Hong Kong Island kann man die Show sehen – wenngleich auch nicht hören.

Von den Terminals im Süden kann man den Victoria Harbour mit einer der alten Fähren überqueren und nach Hong Kong Island gelangen. Auch andere Fährziele wie Lantau Island und Macao stehen zur Wahl.

Als Kontrast sind die Straßenmärkte in Mongkok zu sehen, bei denen man nicht weiß, wo man zuerst hinschauen soll. Der Ladies‘ Market ist wohl der bekannteste in den Straßenzügen des Stadtteils, doch auch die Tung Choi Street bietet mit Ihren Märkten und Bars ein ganz besonderes Flair.

Mir war das Ganze zu viel, wenn ich ehrlich sein darf. Anfang Juni herrschen im Süden Chinas über 30 Grad bei einer tropischen Luftfeuchtigkeit. Das Ganze steht im krassen Kontrast mit den abnormal herunter klimatisierten Shopping-Zentren dieses Stadtteils.

Im Kowloon Park hingegen findet man einen belebten und zugleich ruhigen Ort inmitten der Innenstadt.

Am Sonntag bevölkern hunderte der „Foreign Domestic Helpers“ (FDH) den Park. Das sind zu größten Teilen Frauen vor allem von den Philippinen und aus Indonesien. Die Frauen arbeiten als Haushaltshilfen, Kindermädchen und Servicepersonal und machen immerhin 5% der Gesamtbevölkerung aus. Eine in diesem Park durchgeführte Befragung hat mich auf das Thema aufmerksam gemacht. Die teils, aber nicht durchgängig, muslimischen Frauen treffen sich an ihrem freien Tag dort zur gemeinsamen Zeit, um Brauchtum, Ernährung und Gemeinsinn zu pflegen. Sie essen, tanzen, reden, machen TikTok Videos, bringen sich Schminken und andere Dinge bei. Es ist eine interessante, wenngleich auch kontroverse Thematik, auf die man an jedem Sonntag in der Innenstadt von Hongkong stößt.

Auf Hongkong Island gibt es wie kaum sonst auf wenigen Quadratkilometern Gegensätze. Vom Hafen geht es über die Mid-levels bis hoch auf die Gebirgskette des Victoria Peaks.

Neben unzähligen Einkaufszentren – Shopping ist das unangefochtenen Nummer 1 Hobby der Einwohner Hongkongs – gibt es Hochhäuser zu sehen, die historische Doppelstock-Straßenbahn und die zum Peak Tower sehr (!!!) steil herauffahrende Peak Tram.

Wenn man in die geschäftigen Mid-levels fahren möchte, bieten sich die „Escalators“, also die Rolltreppen an, die öffentlich und unter freiem Himmel den Aufstieg erleichtern. Ein verrücktes Gefühl damit Höhenmeter um Höhenmeter zu überwinden. Man kreuzt Straßenzüge ohne Berührungspunkte, sieht Tempel und Einkaufspassagen, Restaurants und Wohnanlagen – beinahe absurd.

Oben angekommen sind es nur noch ein paar hundert Meter, bis die Old Peak Road beginnt. Der Aufstieg inmitten des tropischen Dschungels ist unfassbar in vielerlei Hinsicht. Wenige Meter trennen moderne Wohnhäuser mit über 20 Etagen von echtem Dschungel, der nach Tropenhaus im Zoo durftet. Ein surreales Erlebnis binnen weniger Meter von Zivilisation zu dichtem Wald zu wechseln. Der Weg ist aber gut ausgebaut und führt einen stetig bergan zur Bergstation der Peak Tram. Bei der typischen Witterung im Frühsommer sind ein Handtuch und Wechselsachen angeraten – man ist nach wenigen Metern klitschnass.

Als Belohnung winkt der Peak Tower, ein Freizeit- und Einkaufzentrum unterhalb des eigentlichen Victoria Peaks, welcher bei jeder Uhrzeit und Witterung einen phantastischen Blick auf die Stadt, aber auch die wechselhafte Umgebung bietet. Eine kleine Rundwanderung z.B. entlang der Plantation Road ist derart beeindruckend, dass man die hier vereinten Gegensätze fast greifen kann. Berge und Meer, Großstadt und Dschungel, Nähe und Distanz, Tradition und Moderne. Lässt man es zu, überwältigt einen bereits der Aufenthalt in diesem Areal.

Ob man nun zu Fuß oder mit der Peak Tram das Gebiet in Richtung „Central“ verlässt, man landet wieder in den Mid-levels. Bei der Talstation der Peak Tram kann man in östlicher und westlicher Richtung etwas Grün inmitten der Großstadt erobern. Während östlich der Hongkong Park mit künstlichen Seen, Schildkröten, Kois und exotischen Pflanzen wartet – natürlich mit hervorragendem öffentlichen WLAN – geht es im Westen in den Hong Kong Zoological and Botanical Garden. Dass beide Parks ohne Eintritt besichtigt werden können, sauber und ordentlich sind, öffentliche Toiletten bieten und von freundlichem Personal verwaltet werden – nichts besonders für Hong Kong. Meinen aufrichtigen Respekt!

Wenn man vollends einen Kulturschock braucht, besucht man wie ich einen oder zwei Tempel. Im Stadtteil Sha Tin ist unweit der Metro-Station das Ten Thousand Buddhas Monastery. Das Kloster der Zehntausend Buddhas ist ein Geheimtipp. Wenn man den Weg zum Aufstieg findet (und nicht wie ich versehentlich in den benachbarten, ebenso sehenswerten Friedhof Po Fook Hill abbiegt), sieht man entlang des Weges viele goldene, lebensgroße Mönchsfiguren. Meter um Meter kämpft man sich empor, hat Fotomotive satt und oben dann einen halben Kreislaufkollaps. Starker Anstieg und 30+ Grad bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit sind eine echte Herausforderung. Doch der Weg lohnt sich. Das buddhistische Kloster, welches erst 1951 gegründet wurde, zeigt mit unter anderem einer Pagode, verschiedensten Tempeln und Plätzen eine Vielzahl von Heiligtümern auf kleinem Raum. Man trifft betende Gläubige, Touristen und wilde Affen, kann die farbenfrohe und vielseitige Gestaltung kaum erfassen und ist entsprechend überfordert in der Wahrnehmung dieses speziellen Ortes.

Wem das noch nicht reicht, der kann im Wong-Tai-Sin Tempel in Nordost Kowloon den endgültigen Kollaps erleben. Der als glücksbringend geltende taoistische Schrein ist einfach nur zu viel. Hunderte Gläubige, prachtvolle Farben, die erschlagenden Düfte der Räucherstäbchenbündel, Statuen und Gebäude sind einfach nicht mehr zu greifen. Überfrachtung bekommt hier eine greifbare Bedeutung. Im Garten der Wünsche kann man zwar ein wenig zu Atem kommen, doch das Gelände ist in Pracht und Fülle nicht zu übertreffen. Inmitten der Innenstadt mit Hochhäusern, Schnellstraßen und Einkaufzentren ist der Kontrast einfach unglaublich.

Hongkong ist eine Metropole Asiens, welche herausragend ist. Das liegt an den zahlreichen Kontrasten und den gelebten Gegensätzen.

  • Millionen Stadt und Dschungel
  • Hafen und Berge
  • Britisch und Chinesisch
  • Reich und arm
  • Traditionell und modern
  • Heiß und klimatisiert
  • Aberglaube und Hightech
  • Freundlich und unnahbar
  • Düfte und Gerüche
  • Nähe und Distanz

Daher ist ein Besuch hier ein unbedingtes Erlebnis und in wenigen Tagen kaum zu erfassen. Zwei Tage reich dazu kaum aus. Die Octopus Card für den öffentlichen Nahverkehr und kleine Einkäufe sei jedem angeraten. Ebenso gutes Schuhwerk. Ich bin an den beiden Tagen jeweils über 20km zu Fuß gegangen.

Wenn einem diese Ausflüge nicht reichen, ist eine Wanderung am Dragons Back (Shek O), ein Besuch von Lantau Island mit Disney Land, Tian Tan Buddha (Touristenfalle!), Po Lin Kloster, den vielen Wandergebieten, kleineren Inseln und unzähligen Stränden möglich.

Lohnt sich ein Besuch in Hongkong? Das hängt davon ab. Wenn man für mehr als nur ein paar Tage die 12 Stunden Anreise in Kauf nehmen will, einen längeren Aufenthalt in Südostasien plant oder auf der Durchreise einen Höhepunkt setzen möchte – auf jeden Fall! Als Kurzreise aus Europa sind An- und Abreise, Zeitverschiebung und das tropische Klima eine größere Herausforderung, die keinesfalls zu unterschätzen sind. Alles in allem ist ein Besuch mit beinahe zwangsläufig überfordernden Eindrücken verbunden. Das Sonderverwaltungsgebiet ist anders als Festlandchina, anders als Europa und damit ein Einhorn unter den Reisezielen in Südostasien.

Did you like this? Share it:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


*