Auf diesem Blog dreht es sich rund um Bücher, Rezensionen, Buchvorstellungen, Interviews und das Kochen von leckeren Speisen aus Topf und Pfanne.

Reserve von Prinz Harry

Ich glaube ja, dass dieses Buch polarisieren wird – die Liebhaber der britischen Monarchie werden aufschreien – egal auf welcher „Seite“ sie stehen. Diejenigen, die die Monarchie ablehnen, werden sich hier bestätigt sehen. Egal wie man es dreht und wendet, das Buch bietet Zündstoff und Raum für Diskussionen ohne Ende.

Eigentlich – ein Wort das ich eigentlich gar nicht mag *lach* – bin ich kein Freund von hochgelobten und total gehypten Büchern. Ich gehe denen gerne aus dem Weg und greife, wenn überhaupt, erst sehr spät zu diesen Büchern.

An der Biographie von Prinz Harry führte, gerade in den Tagen vor dem Erscheinen, fast kein Weg mehr vorbei. Lanciert von der so „verabscheuungswürdigen Presse“, die Prinz Harry aber sehr gut zu nutzen weiß, war es in aller Munde und Harry weltweit im TV zu sehen. Natürlich kamen auch ganz zufälligerweise schon Tage vor der Veröffentlichung ausversehen Exemplare des Buches in den Handel und man konnte Auszüge daraus lesen.

So neugierig gemacht, musste ich dann doch zugreifen.

Das Buch ist in drei große Teile gegliedert – grob gesagt in die Zeit der Kindheit und Jugend, die Zeit beim Militär und dann die Meghan-Ära.

Beim Lesen des Buches dachte ich immer wieder „der arme Junge, kein Wunder das er so ist wie er ist“.  Dann aber wandelte sich das Mitleid immer wieder in „selbstverschuldet“. Er weiß aus der Vergangenheit, am tragischen Beispiel seiner „Mummy“, Prinzessin Diana, zu was die Presse fähig ist, nutzt sie aber gleichzeitig fleißig. Das dieses Spiel mit dem Feuer gefährlich ist und Konsequenzen haben wird, hätte ihm klar sein müssen.

Was mich „stört“ ist die mangelnde Selbstreflektion des Prinzen, dieses Nicht-Nachdenken was man tut und hinterher der große Katzenjammer. An der „Uniform-Affäre“ bei einer Kostümparty war natürlich nicht er schuld, sondern er wurde falsch beraten. Aber wie verblendet, wie naiv muss man sein, wenn man die eindeutigen Zeichen nicht erkennt und so maskiert zu einer Veranstaltung geht?

Ich kenne ihn nicht, nur die wenigsten kennen den Prinzen tatsächlich und so privat wie er sich hier gibt. Aber ich habe gesunden Menschenverstand und ich weiß, dass nicht alle Menschen von Grund auf gut oder böse sind, und dann ausschließlich entweder das eine oder andere. 

Er stellt sich hier in dem Buch als das Opfer da, dem man von Anfang an nur Schaden wollte. Er ist der gute, der keine Fehler macht. Getreu dem Motto „Ich würde meine Fehler ja zugeben, wenn ich welche hätte.“ sind grundsätzlich immer andere Schuld an dem was ihm passiert.

Im ersten Teil erzählt er viel von seiner Jugendzeit, dem Tod von Diana, seine Empfindungen. Seine Zeit im Internat, die Suche nach dem Zusammengehörigkeitsgefühl, seine Ausschweifungen in Sachen Drogen und Alkohol. Er nimmt kein Blatt vor den Mund – ist schonungslos und offen – sagt aber auch immer wieder, dass er es nicht besser wusste, ihn keiner warnte.

Im zweiten Teil geht es teilweise richtig zur Sache und er wurde mir, zumindest stellenweise, ein wenig sympathischer. Seine Ausbildung beim Militär, die Einsätze im Kriegsgebiet und das Zusammengehörigkeitsgefühl, das er endlich entwickeln durfte. Aber auch sein Einsatz für Kriegsveteranen, die Wanderung zum Nordpol – Harry macht hier gefühlt eine große Entwicklung durch, lässt sich aber auch immer wieder zurückfallen und verfällt in alte Muster. Die Frauen an seiner Seite halten das Leben nicht durch – verständlich. Um solch ein Leben zu führen, muss man für den Partner verdammt starke Gefühle haben. Oder robust sein und andere Beweggründe haben – ich habe keine Ahnung.

Seine Liebe zu Afrika – seine Besuche dort und das Gefühl der Freiheit – diese Abschnitte haben mir sehr gut gefallen und ein anderes Licht auf ihn geworfen.

Im dritten Teil kommt Meghan ins Spiel und die Jagd ist eröffnet. Dachte ich beim Lesen der ersten beiden Kapitel noch, dass die Presse schon ganz schön übertreibt – gefühlt ging die Hetzjagd dann erst richtig los und ich war mehrfach fassungslos.

Ganz ehrlich: Selbst wenn das Buch nur zur Hälfte oder zu 1/3 die Wahrheit enthält, es ist verstörend und zeigt, das sich die Geschichte seiner Mutter tatsächlich wiederholt. Die Beschreibungen der Presse-Attacken, die Denunzierungen und das „Augen verschließen“ derer, die das hätten verhindern können ist hart, sehr hart. Der Kampf um ein bisschen Privatsphäre unmenschlich und die Unterstützung der Familie unterirdisch. Die vielbeschworene „Firma“, das britische Königshaus, kommt nicht gut weg und aus dieser Geschichte nicht unbeschadet heraus.

In einem Interview sagte Harry, das eine Versöhnung von seiner Seite zu 100% möglich ist. Ganz ehrlich? Nach dem ich dieses Buch gelesen habe zweifle ich sehr stark daran. Hier kommt keiner gut weg: nicht König Charles und seine Gemahlin Camilla, nicht der Thronfolger William und dessen Frau Kate. Auch alle anderen Familienmitglieder inklusive der bereits verstorbenen kommen alles andere als gut weg. Besondern Anteil an der „Affäre“ und dem Weggang von Harry und Meghan aus Großbritannien schreibt Harry den Angestellten des Palastes zu – sie hätten Hilfegesuche von ihm unterschlagen und nicht weitergeleitet und Lügen (ob gesteuert oder nicht) bei der Presse gestreut.

Beim Lesen des Buches sollte sich jeder Leser selbst überlegen, wieviel davon Wahrheit und wie viel verletzter Stolz, Eitelkeit und auch Rachegedanken sind. Genau wissen das nur die, die direkt daran beteiligt waren und die schweigen. Aussitzen nennt man sowas. Dafür zerreißen sich jetzt viele andere, unbeteiligte das Maul, wissen alles besser und Harry mit seiner Familie bekommen wieder keine Ruhe.

Aber das ist – leider – selbstverschuldet. Er hätte wissen müssen – und ich denke das hat er bei den Buchtantiemen schon mit eingeplant – das nun noch mehr Berichterstattung folgen wird, er noch mehr im Fokus stehen wird als bisher. Wahrscheinlich ist das einfach so, dass man irgendwann ohne diese Aufmerksamkeit gar nicht mehr leben kann, auch wenn man wahrscheinlich ohne sie leben will.

Er wird diese Zeilen nie lesen, aber ich wünsche ihm, das er das findet was er sucht – wenn er denn überhaupt weiß, was das ist.

Wie ich das Buch bewerte? Ich weiß es ehrlich gesagt nicht, das finde ich bei Biographien immer sehr schwer. Aber ich denke, 4 Sterne sollten es schon sein. Einfach für den Mut und die Art, zu schreiben.

Daten:
Autor: Prinz Harry
Titel: Reserve
Herausgeber:‎ Penguin Verlag (Januar 2023)
Gebundene Ausgabe:‎ 512 Seiten
ISBN:‎ 978-3328602927

Did you like this? Share it:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


*