Interviewfragen an Hera Lind
Nach der Lektüre von „Tausendundein Tag“ schwirren in meinem Kopf viele Fragen durcheinander. Dieses Buch hat viele, unterschiedliche Emotionen in mir vorgerufen, mich zum Nachdenken gebracht. So war ich ganz froh, dass ich über „das freelance team“ – über Frau Schindler, die Möglichkeit bekommen habe, in kurzes Interview mit Hera Lind zu führen. So konnte ich die Fragen stellen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gingen.
Katja Ezold: Liebe Frau Lind, ich habe vor wenigen Tagen „Tausendundein Tag“ beendet und bin immer noch sprachlos. Wenn es ein „normaler“ Roman wäre, würde ich sagen „Die Autorin hat aber viel Phantasie und ganz schön dick aufgetragen.“ Gerade was die Schicksalsschläge angeht, die der Protagonistin passieren. Was war ihr erster Gedanke, als Sie die Geschichte hörten?
Hera Lind: Ich dachte, dass ich diese Frau unbedingt kennenlernen wollte, und dann habe ich sie auch sofort besucht.
Katja Ezold: Mir ist aufgefallen, dass die Charaktere eine sehr unterschiedliche Tiefe haben. Figuren, die eine große Rolle spielten, sind sehr stark charakterisiert, lebensnah und echt. Figuren, die nur am Rande eine Rolle spielen, bleiben jedoch blass und in meinen Augen ohne Tiefgang. Woran liegt das? Was es eine Vorgabe der Katharina von Schenck? Oder gibt es diese Personen nicht wirklich – sind also „erfunden“ um die Geschichte runter zu machen?
Hera Lind: Natürlich gibt es einige Figuren, die von Frau von Schenck bewusst nur am Rande erwähnt wurden, und einige habe ich mir auch ausgedacht. Wir wollen ja die Identität der beteiligten Personen schützen.
Katja Ezold: Der Fokus von „Tausendundein Tag“ liegt verständlicherweise auf dem Leben mit Ihrem Ehemann Bernd im Iran. Was ging in Ihnen vor, als Katharina von Schenck ihnen diese Geschichte erzählt hat, ihre Eindrücke geschildert hat? Haben Sie die Geschehnisse „blind“ übernommen oder haben Sie sich noch weiter informiert?
Hera Lind: Die persönlichen Erfahrungen von Katharina von Schenck habe ich natürlich so übernommen und musste wirklich nichts dazu erfinden, denn das ist ja, wie Sie selber schreiben, mehr als genug an Eindrücken und Emotionen. Über den Iran und die politischen Zustände damals in den Achtzigerjahren habe ich mich allerdings noch ausführlich durch andere Bücher, das Internet, Zeitungsausschnitte, Romane, Bildbände und Filme informiert.
Katja Ezold: Ich schwanke zwischen Bewunderung für Katharina von Schenck, die ihr Leben gemeistert hat und immer wieder aufgestanden ist. Aber auch Unverständnis und Kopfschütteln, weil ich in einigen Situationen ganz anders gehandelt hätte. Was glauben Sie, sollten Ihre Leser(innen) aus dieser Erzählung für sich mitnehmen?
Hera Lind: Ich denke, dass an meinen Tatsachenromanen gerade das Spannende ist, dass man als Leserin kopfschüttelnd denkt: Wahnsinn – was würde ich in dieser Situation machen, und würde ich mich überhaupt in so eine Situation hinein begeben? Aber wenn wir nicht so unterschiedlich ticken würden, sondern alle gleiche Ängste oder Vorsichtsmaßnahmen hätten, gäbe es eben auch nicht diese Spannung und diese Gänsehaut beim Lesen.
Katja Ezold: In Ihrer Karriere haben Sie bisher an die 30 Bücher geschrieben – überwiegend sogenannte „Frauenromane“ und auch – wenn ich richtig informiert bin – 3 Kinderbücher. Wie kamen Sie auf die Idee, Geschichten, die wirklich passiert sind, aufzuschreiben? Quasi die Biografien starker Frauen? Kommen die Geschichten so einfach zu Ihnen oder wie werden Sie darauf aufmerksam?
Hera Lind: Mein erster Tatsachenroman war die Geschichte einer schwangeren jungen Frau, die ins Koma fiel und der ihr Ehemann nachts im Krankenhaus immer aus meinen Büchern vorgelesen hatte, weil er wusste, wie sehr sie meine Bücher mochte. Nachdem sie gestorben war, schrieb mir ihr Witwer, sie hätte es sich so gewünscht, dass ich ihre Geschichte aufschreibe, denn das Kind konnte gerettet werden. Das Schicksal dieser Menschen habe ich dann in „Der Mann der wirklich liebte“ aufgeschrieben. Dieses Buch wurde ein Bestseller und ich stellte fest, dass viele Leserinnen offenbar großes Interesse an dieser besonderen Art von Roman haben. Und so hat sich das weiter entwickelt.
Katja Ezold: Ein Teil ihrer Bücher wurde ja bereits verfilmt. Könnten Sie sich „Drachenkinder“ und „Tausendundein Tag“ auch verfilmt vorstellen?
Hera Lind: Es gibt tatsächlich Interesse aus Film und Fernsehen. Aber beide Stoffe wären sehr aufwendig umzusetzen. Man könnte ja nicht an Originalschauplätzen drehen, es bräuchte Unmengen an Statisten und man müsste viele Drehorte im Orient finden, was sicher mit vielen Kosten und Zeitaufwand verbunden wäre. Ich hoffe dennoch auf eine filmische Umsetzung – gemeinsam mit meinen Protagonistinnen. Sie hätten es wirklich verdient, ihr Leben auf der Leinwand zu sehen.
Katja Ezold: Und zum Schluss eine ganz andere Frage: Es ist Herbst, die Blätter fallen, es wird schneller dunkel und in den Läden lauern schon die Weihnachtssüßigkeiten und die Weihnachtsdekoration. Die Leute sind auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken und der perfekten Idee. Welches Buch würden und werden Sie vielleicht sogar zu Weihnachten verschenken?
Hera Lind: Wenn ich so frei sein darf, würde ich hier gerne meinen letzten Roman nennen: „Verwandt in alle Ewigkeit“. Dort erzähle ich die Geschichte meiner Mutter, die vor einem halben Jahr an Alzheimer gestorben ist. Das letzte Jahr mit ihr war sehr innig und von einer tragikomischen Intensität. Für ein Familienfest ist dies genau das richtige Geschenk. Und natürlich eignen sich auch meine Tatsachenromane gut als Weihnachtsgeschenk!
Ich bedanke mit bei Hera Lind und Corinna Schindler für die Möglichkeit, dieses Interview zu führen und wünsche Ihnen beiden alles Gute und natürlich weiterhin viel Erfolg.
Copyright Foto: Regina Hügli