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Kurzgeschichte: Tumult auf dem Weihnachtsmarkt

Und hier kommt sie, die zweite Siegergeschichte zum Kurzgeschichten-Wettbewerb 🙂 . Sie stammt aus der Feder von Maria Wagner und führt uns auf den Hamburger Weihnachtsmarkt. Ich wünsche Euch ebenso viel Spaß beim Lesen, wie es es hatte 🙂

Frustriert starrte Sven Klein auf den dichten Verkehr vor sich. An diesem Freitagabend vor Weihnachten herrschte in ganz Hamburg der Ausnahmezustand. In den Geschäften tummelten sich die Last-Minute-Käufer, durch die Straßen zogen sich meterlange Staus und die Weihnachtsmärkte platzten aus allen Nähten. Überall wo man hinsah Menschen über Menschen und Sven mit seiner Familie direkt mittendrin. Nach einem Blick auf die Uhr, stöhnte Sven innerlich. Sie kamen definitiv zu spät zu ihrer Verabredung auf dem Weihnachtsmarkt. Sein Partner Dirk und ihr Freund Mark warteten am Eingang mit ihren Familien sicher schon auf sie. Verdammt! Davon wären die Frauen der Beiden überhaupt nicht begeistert. Naja was solls, schlimmer konnte der Tag eh nicht mehr für ihn werden und außerdem hatten sie dieses Übel erst ihren Frauen zu verdanken. Svens Mine verfinsterte sich, als er daran dachte wie seine Frau Britta Ihm von diesem Ausflug erzählte. Sein erster Gedanke war abzulehnen, aber er bekam nicht mal die Gelegenheit dazu. „Wag es ja nicht, auch nur daran zu denken den Abend abzusagen!“ hatte Britta Ihn böse angefaucht. „Die letzten Wochen hast du mehr Nächte im Präsidium verbracht, als zu Hause. Von Alex weiß ich, dass dasselbe auch für Dirk gilt. Im Moment jagt bei euch ein Fall den nächsten, da wird ja wenigstens ein freier Abend drin sein. Außerdem vermissen die Jungs ihre Väter und wir unsere Ehemänner.“ Was sollte er darauf erwidern? Sie hatte ja Recht, Ihm waren ja schließlich schon die gleichen Gedanken durch den Kopf gegangen. An seinen Schreibtisch dachte er im Moment lieber auch nicht. Dort stapelte sich der Papierkram schon seit Wochen, wegen Krankheit und Urlaub war das Wirtschaftsdezernat fast leer und in Ihrem aktuellen Fall kamen sie nicht voran. Die Kollegen vom LKA Sachsen baten sie vor einer Woche um Mithilfe bei der Ergreifung einer Betrügerbande. Diese hatte laut Akte bis jetzt schon ein kleines Vermögen mit ihrer miesen Masche verdient. Nur dumm, dass die Kollegen aus Sachsen es persönlich nahmen, wenn ihre traditionelle Volkskunst aus dem Erzgebirge durch billige Imitate aus Fernost ersetzt wird. Statt handgefertigte Schwibbögen und Weihnachtspyramiden erhielten die gutgläubigen Käufer zusammengepresste und mit Farbe besprühte Industrieholzabfälle. Das Ganze wurde dann mit einem Aufkleber „Original aus dem Erzgebirge“ versehen und für das fünffache weiterverkauft. Netter Coup. Die meisten der Betrogenen merkten nicht einmal, dass sie abgezockt wurden, denn dem Laien fielen die kleinen Unterschiede nicht gleich auf. In der Akte stehen die Namen von mehr als über hundert Betroffenen und das sind nur die, die sich wegen des Betrugs ans LKA gewandt haben. Der Fall war damit schon geklärt, aber den Kollegen aus Sachsen fehlten noch ein paar handfeste Beweise, weshalb Dirk und Sven sich die Bücher der Hamburger Geschenkartikelfirma vornehmen sollten. Diese schienen auf den ersten Blick auch korrekt, aber Dirk entdeckte schnell einige Unstimmigkeiten im Bereich der Einnahmen. Hier war die Abrechnung mehr als schlampig erfolgt. Auf handgeschriebenen Zetteln hatte man nur die Anzahl der verkauften Artikel und einen angeblichen Festpreis notiert. Für die Käufer gab es demzufolge keine Belege und für die Behörden keine Nachweise auf eine Straftat. Genervt von der Situation fuhr sich Sven gereizt mit der Hand durch die Haare, die nach dieser Behandlung wieder in alle Richtungen abstanden. Er war gedanklich so in den Fall vertieft, dass er den älteren Herrn auf dem Zebrastreifen fast übersehen hätte. Im letzten Moment konnte er bremsen und erntete dafür einen missbilligenden Bick von seiner Frau. Innerlich beglückwünschte er sich dann selbst, die Fahrt bis zum Weihnachtsmarkt ohne Todesopfer geschafft zu haben.

Den fünfminütigen Fußmarsch vom Auto bis zum verabredeten Treffpunkt am Weihnachtsmarkt nutzte Sven und erkundigte sich nach Brittas und Jans Tag. Britta bekam keine Möglichkeit etwas zu sagen, denn Jan redete augenblicklich los. Als wartete er nur auf eine günstige Gelegenheit, um seinen Eltern von der Eins im Mathetest zu erzählen. Sven verspürte einen Stich in seiner Brust. Er hatte Jan versprochen mit Ihm für den Test zu lernen, es aber wie so oft in den letzten Tagen nicht rechtzeitig nach Hause geschafft. Dass Jan dennoch Klassenbester im Test war bestätigte nur noch Svens Verdacht. Der kleine Mann hatte augenscheinlich nur einen Vorwand gesucht um Zeit mit Ihm zu verbringen. Seine Schuldgefühle wuchsen ins Unermessliche, aber viel Zeit für Selbstvorwürfe bekam er nicht. Nur wenige Meter entfernt warteten Dirk und Mark schon mit Ihren Familien auf sie. Jan sprintete die letzten Meter in Richtung Tim und Nicki und begrüßte beide mit einer einstudierten Abfolge von Handschlägen die dann mit einem High-Five endete. Rami verdrehte genervt die Augen. „Jetzt fühle ich mich alt.“ Kommentierte Dirk die Situation lachend. Der Rest begrüßte sich amüsiert mit einer herzlichen Umarmung. Die Gruppe setzte sich gerade in Bewegung, als Dirk Sven einen leichten Stoß in die Seite verpasste. „Mark hat sein Team schon in Bereitschaft versetzt und eine großangelegte Rettungsaktion geplant. Wir haben uns schon Sorgen gemacht, dass einer der riesigen Aktenstapel umgekippt ist und dich darunter begraben hat.“ Sven sah erst Mark und dann Dirk grimmig an. Das sein Freund ihn wegen der Verspätung aufzog war typisch für Dirk, darauf hätte er im Moment aber verzichten können. Für die Verspätung musste er schon bei Britta büßen und er war sich sicher, dass das Thema damit noch nicht beendet war. Bewusst vermied er es auch ihr von Marks Erinnerungsmail zu erzählen. Warum noch Öl ins Feuer gießen, wenn es eh schon lichterloh brennt. Bis vor einer Stunde saßen er und Dirk noch im Büro und schrieben an ihren Berichten. Das Signal einer eingegangenen Mail veranlasste Dirk auf sein Handy zu schauen. „Ist von Mark. Sehen uns in einer Stunde. Seid pünktlich und vergesst die Frauen und Kinder nicht.“ Grinsend stand Dirk auf und schnappte seine Jacke. „Der Captain hat gesprochen. Ich mache dann Schluss für heute. Wir sehen uns und vergiss Britta und Tim nicht.“ Im nächsten Moment war Dirk zur Tür raus. Sven schrieb noch schnell seinen angefangenen Bericht zu Ende und warf beim Rausgehen einen Blick auf die Uhr. „Verdammt, Britta bringt mich um.“ Im Kopf überschlug er die Fahrzeit vom Präsidium bis nach Haus und zum Weihnachtsmarkt und kam zu dem ernüchternden Ergebnis das dreißig Minuten dafür zu wenig waren. Eilig sprintet er zum Auto und rannte dabei noch fast einen Kollegen um. Auf dem Weg nach Hause überfuhr er auch noch zwei rote Ampel und ein Stoppschild. Am Ende half das aber alles nichts. Sie waren zu spät. So vertieft in seine Gedanken, bemerkte Sven erst in letzter Sekunde, dass ihre Gruppe vor einem Autoscooter stehen geblieben war. Er fragte sich gedanklich was Sie hier wollten, als die Realität wieder in sein Bewusstsein drang. Tim und Nicki versuchten gerade ihre Eltern zu einer Fahrt mit dem Autoscooter zu überreden. Als Jan ihn dann mit großen, strahlenden Augen ansah, wurde Sven bewusst, dass er ihm gerade so viele Fahrten wie er möchte versprochen hatte. Wenigstens das bekam er im Moment auf die Reihe. Seine Frau hatte Recht behalten, er brauchte dringend ein paar Tage Urlaub und eine ordentliche Mütze voll Schlaf. Dank Jans Freifahrtschein mussten sich Laura und Alex gegenüber ihren Kindern geschlagen geben. Damit war er dann endgültig bei den beiden Frauen in Ungnade gefallen, dass zeigten auch ihre missbilligenden Blicke. „Ihr habt hier offensichtlich ja alles unter Kontrolle. Wir sind dann kurz mal dahinten.“, informierte Alex die Männer und zeigt dabei ans andere Ende des Weihnachtsmarktes. Sven sah die drei Frauen davoneilen und wurde das Gefühl nicht los, dass ihm was entgangen war. Fragend blickte er Dirk an. Dieser winkte nur ab. „Alex hat irgendwas von bester Eierlikör in ganz Hamburg erzählt. Sie war die Tage schon mal hier und konnte gar nicht mehr aufhören mit Schwärmen. Scheinbar hat sie zwei weitere Fans gefunden.“ Schweigend schauten die drei Männer ihren Kindern beim Autoscooterfahren zu. Nach einer Runde stieg Rami aus dem Scooter aus und kam mit einem resignierten Blick auf Mark zu. Während sich Tim, Jan und Nicki miteinander amüsierten hatte Rami offensichtlich keine Lust mehr das fünfte Rad am Wagen zu sein. Ohne ein Wort zu sagen stellte sie sich neben Mark und zog ihr Handy aus der Tasche. Mark wollte gerade fragen was los ist, bekam aber schon vor dem ersten Wort einen genervten Blick zugeworfen. Schulter zuckend wandte er sich wieder um und ließ sie weiter ihre WhatsApp-Nachrichten tippen. „Wo ist eigentlich Connor?“ Erkundigte sich Dirk. „Bei Shara und Stephan“ Gab Mark mit einem Grinsen zurück. „Stephan konnte die Frauen wohl davon überzeugen, dass es mit dem Kinderwagen viel zu stressig bei all den Menschen hier ist. Die Rechnung hat er aber ohne Laura gemacht. Mit derselben Ausrede hat sie Shara dazu gebracht auf Connor aufzupassen. Seinen gemütlichen Abend auf der Couch kann Stephan damit wohl vergessen.“ Die drei Männer konnten sich in etwa vorstellen, was ihr Freund von der Abendprogrammänderung hielt. Grinsend wandte sich Sven in Richtung einiger Holzbuden. „Ich besorg uns mal was zu trinken. Wenn ich das richtig verstanden habe, sehen wir unsere Frauen ja nicht so schnell wieder.“ Er folgte dem Strom der Leute durch die von Holzhütten gebildete Gasse und sah sich dabei die Werbetafeln an. Von Absinth bis hin zur Zuckerstange gab es alles zu kaufen und so brauchte Sven sich nicht lange mit der Suche nach einer Glühweinbude aufhalten. Bei der erst besten Hütte stellte er sich ans Ende der nicht gerade kurzen Warteschlange an. Die Wartezeit vertreibend, musterte er die Leute an den umliegenden Buden. Sein Blick blieb dabei an einem älteren Ehepaar hängen, welches sich zwei Hütten weiter eine Weihnachtspyramide anschaute. Das Pärchen wollte gerade weitergehen, wurde aber im letzten Moment von dem sehr jungen Verkäufer zurückgehalten. Sven beobachtete interessiert, wie der Verkäufer seinen Charme spielen ließ und offensichtlich dabei auch die richtigen Worte fand. Nach einem unsicheren Seitenblick auf Ihren Mann, kaufte die Frau die angebotene Pyramide dann doch. Scheinbar glücklich zog das Ehepaar weiter und gab so den Blick auf den jungen Verkäufer frei. Interessiert musterte Sven diesen nun genauer. Der Junge war noch keine zwanzig, trug eine teure Designerjacke und war das genaue Ebenbild von Brad Pitt in jungen Jahren. Seines guten Aussehens und Charmes war er sich bewusst und hatte, wie gerade eindrucksvoll bewiesen, keine Probleme es für seine Zwecke einzusetzen. Kurz schaute sich der Teenager zu einem Mann an einem Stehtisch um und machte schnell das Daumen hoch Zeichen. Sofort schrillten bei Sven alle Alarmglocken und er versuchte den möglichen Adressaten auszumachen. Er war sich noch nicht ganz im Klaren darüber woher sein ungutes Gefühl kam. Aber als er aus dem Augenwinkel den Kerl am Nachbartisch leicht in Richtung des Verkäufers nicken sah, traf ihn schlagartig die Erkenntnis, dass hier was nicht mit rechten Dingen ablief. Unauffällig versuchte er den Mann am Stehtisch genauer zu erkennen. Auf den Ersten Blick sah der Kerl mit der schwarzen Cargohose und der Bomberjacke wie der klassische Schlägertyp aus. Das Gesicht wurde von einer Kappe halb verdeckt und gab Sven somit keinen Hinweis auf das Alter des Mannes. Von der Statur her wirkte dieser aber eher muskulös als massig. Sven wandte den Blick ab, als die Verkäuferin vor ihm sich nach seiner Bestellung erkundigte. Mit Tee- und Glühweinbecher in zwei Papphalterungen machte er sich wieder auf den Weg zurück und nahm dabei einen Umweg vorbei an der Holzhütte mit dem Brad-Pitt-Verkäufer. Das Werbeschild erregte Svens Aufmerksamkeit am meisten. „Handgemachte Weihnachtsdekoration aus dem Erzgebirge“ stand dort geschrieben. Ungläubig starrte er kurz auf das Schild und ging dann normal weiter in Richtung Autoscooter.

Dirk sah seinen Partner schon von weiten auf Sie zukommen und ihm entging dabei auch dessen angespannter Gesichtsausdruck nicht. Sven blieb neben ihm stehen, verteilte den Glühwein und grübelte dann offensichtlich vor sich hin. Mark kommentierte Svens Verhalten lediglich mit einer hochgezogenen Augenbraue und so war es Dirk der nachfragte. „Was ist passiert?“ „Das wüsste ich auch gern. Was meinst du, wie groß ist die Chance das wir genau hier den Durchbruch in unserem Fall haben?“ Sichtlich irritiert blickte Dirk Sven an. „Auf was willst du hinaus?“ In knappen Sätzen erzählte Sven ihnen von seinen Beobachtungen und weihte Mark in den Rest des Falles ein. Gequält stöhnte Dirk auf. „So ein Glück können auch nur wir haben. Für meinen Geschmack gibt es da aber zu viele Parallelen um die Sache nicht mal in Augenschein zu nehmen.“ Zustimmendes Nicken von Mark und Sven ließen Dirk fortfahren. „Den Jungen könnten wir wegen Betrugs festnehmen, aber was machen wir mit seinem Kumpel? Sobald der mitbekommt das wir vom LKA sind, ist er auf und davon.“ „Dann zeig es ihm nicht.“ Warf Mark grinsend ein. Bevor Dirk die Chance zur Nachfrage bekam, weihte Sven Sie in seinen Plan ein. „Der Kleine ist mit seinem Charme nur für die Vermarktung zuständig, während sein Kumpel den Aufpasser spielt. Stifte ein bisschen Unruhe und mach den Jungen nervös, dass wird seinen Wachhund von ganz alleine auf den Plan rufen. Sowie er den Kleinen verteidigt, schnappen wir uns die Beiden.“ Dirk bedachte seinen Partner mit einem bösen Blick. „Und ich soll den Käufer spielen?“ Von Dirks Blick unbeeindruckt fuhr Sven grinsend fort. „Mark sieht nicht so aus als würde er sich für Schwibbögen und Weihnachtspyramiden interessieren und darf solange auf die Kinder aufpassen. Ich scheide auch aus, da sie mich schon gesehen haben. Ich übernehme dein Backup und bestell zwei Uniformierte, die die Beiden aufs Präsidium bringen. Und jetzt geh los und kauf deiner Frau was Hübsches zu Weihnachten.“ „Toller Plan, einfach fantastisch.“, knurrte Dirk und bedachte seine beiden Freunde, die sich augenscheinlich prächtig amüsierten, mit einem vernichtenden Blick. „Na dann lass uns die Sache durchziehen, bevor unsere Frauen noch Wind davon bekommen.“, gab er zähneknirschend nach und machte sich auf den Weg zu seinem Ziel. Er reihte sich in den Strom der vorbeiziehenden Menschenmasse ein und hielt nur kurz an zwei Verkaufsbuden, um sich die angebotenen Deko- und Souvenirartikel anzuschauen. Er wollte kein Misstrauen bei den beiden Betrügern wecken und auf einen möglichen Beobachter würde er so wie ein harmloser Tourist wirken. Sven folgte ihm in reichlichem Abstand und steuerte direkt wieder die Glühweinbude an, von wo er seinen Partner und den Schlägertypen im Blick hatte. Dirk war in der Zwischenzeit an seinem Ziel angekommen und betrachtete eine Weihnachtspyramide vor Ihm. Der Brad-Pitt-Verkäufer ließ sich auch nicht lange bitten und schnappte nach dem Köder. „Schöne Pyramide, oder? Suchen Sie was Bestimmtes? Ein Geschenk für die Frau vielleicht?“ Gespielt leidend seufzte Dirk. „Meine Frau hat in den letzten Tagen bei jeder Gelegenheit durchblicken lassen, dass Sie sich zu Weihnachten eine dieser Pyramiden wünscht.“ Für den jungen Verkäufer war das der Startschuss zu einem, wie er glaubte, erfolgreichem Geschäft. Mit all seinem Charme und Worten wie handgemacht, exklusiv und einzigartig, versuchte er Dirk zum Kauf zu bewegen. Nur mit Mühe konnte dieser ein abfälliges Schnauben unterdrücken. Für Dirk war es an der Zeit, den Muskelmann auf sich aufmerksam zu machen und das Ganze zu beenden. Er schnappte sich die Pyramide vor ihm und betrachtete sie prüfend. Nach einer oberflächlichen Inspektion, versetzte Dirk das Innenleben in Schwung, bevor er abschließend an den kleinen Figuren rumhantierte. Sein Gegenüber beobachtet Ihn anfangs neugierig und später dann zunehmend nervös. Mit einer nochmaligen Charmeoffensive wollte er Dirk dann endgültig zum Kauf überreden, als dieser aber lediglich weiter auf die Pyramide starrte, irrte sein Blick hilfesuchend zu seinem Komplizen am Stehtisch. Sekunden später begrüßte der Schlägertyp Dirk mit dem Gestank nach Alkohol und Schweiß. „Gibt´s hier ein Problem?“ Dirk stellte die Fälschung in seiner Hand ab und brach sein Schweigen. „Ja, das gibt es. Sind Sie der Boss von dem Kleinen?“ Bedrohlich baute sich der Muskelprotz vor Dirk auf. „Nein, aber ich sorge für seine Sicherheit. Du hast jetzt also genau zwei Optionen. Kauf das Teil und verschwinde oder falls du auf Ärger aus bist, dann klären wir das gleich unter vier Augen.“ Dirk hatte aus dem Augenwinkel mitbekommen wie Sven hinter dem Schläger Stellung bezogen hatte. Erschrocken wirbelte der Verbrecher rum, als sein Partner die Stimme erhob. „LKA Hamburg. Sie sind vorläufig festgenommen, wegen des dringenden Tatbestandes des Betrugs. Jetzt langsam umdrehen, Hände auf den Rücken und keine Spielchen, sonst kommt noch tätlicher Angriff auf Beamte und Widerstand gegen die Verhaftung hinzu.“ Dirk richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf den jungen Verkäufer. „Dasselbe gilt für Sie. Langsam raus aus der Hütte.“ Die Augen des Jungen huschten wild zwischen den drei Männern vor Ihm hin und her. Im nächsten Moment zog er kraftvoll an dem am Vordach befestigten Seil. Das Vordach rauschte sofort in die Tiefe und verriegelte krachend die Bude. Danke seiner schnellen Reflexe war Dirk im letzten Moment abgetaucht. Er verbot sich jeglichen Gedanken daran, was hätte passieren können. Mit zwei Schritten nach hinten war Sven dem Dach ausgewichen und hatte den Muskelprotz mit sich gezogen. Viel zu schnell erholte sich der Typ aus seiner Schockstarre und rammte Sven den Ellenbogen in den Magen. Die Wucht des Angriffs lockerte Svens Griff für einige Sekunden, die der Verbrecher sofort zur Flucht nutzte. Dirk fluchte. Der Lärm hatte dafür gesorgt dass die Blicke der Umstehenden nun auf sie gerichtet waren. Der Junge nutze die Ablenkung und flüchtete zwischen den Schaulustigen in die Richtung aus der Sie gekommen waren. Sein Partner hatte sich von dem Ellenbogencheck schon wieder erholt und jagte dem Verbrecher in die andere Richtung hinterher. Nach einem kurzen Fluch folgte Dirk ihm. Die Schaulustigen bekamen noch ein rüdes „LKA Hamburg. Machen Sie den Weg frei!“, entgegen gebrüllt, bevor er sein Handy aus der Tasche riss und Mark anrief. Sein Freund meldete sich nach dem ersten Klingeln. „Die Beiden haben sich aufgeteilt und der Brad-Pitt-Verschnitt flieht in deine Richtung. Sven und ich kümmern uns um den Anderen.“ Er wartete keine Bestätigung ab, sondern legte einfach auf. Mark wird keine Probleme haben den Jungen einzukassieren. Sven und er jedoch mussten sich mit gezielten Armstößen und Ausweichmanövern durch die Menschenmassen kämpfen, um den flüchtenden Muskelprotz nicht zu verlieren. Für seine Größe und Gewicht war der Kerl ganz schön flink unterwegs. Wahrscheinlich nicht seine erste Flucht, ging es Sven durch den Kopf. Die letzten Meter war er ihm aber, trotz dessen Schnelligkeit, immer nähergekommen. Eine Lücke tat sich zwischen Sven und dem Flüchtenden auf, aber gerade als Sven zum Hechtsprung ansetzen will schob sich ein Ehepärchen dazwischen. Mit einem Fluch versuchte Sven nach rechts auszuweichen, konnte aber einen Zusammenstoß mit dem Herrn nicht verhindern. Dieser wollte Sven schon ein paar wüste Worte hinterherrufe, als Dirk an ihm vorüber lief. „Polizeieinsatz, gehen Sie aus dem Weg!“, hörte er Dirks wütende Stimme. Der Verbrecher vor ihm kam im nächsten Moment ins Straucheln, als er schmerzhaft mit einem der Stehtische kollidierte. Das war Svens Chance die letzten Meter aufzuholen. Ein plötzlicher Knall, Kindergeschrei, sowie aufgebrachte Rufe lenkten seine Aufmerksamkeit von dem Flüchtenden ab. Der Kinnhaken traf Sven unvorbereitet und schickte ihn zu Boden. Blut tropfte aus seiner aufgeplatzten Lippe. Eine Verschnaufpause bekam er aber nicht. Statt auf Flucht war sein Gegenüber jetzt auf Kampf aus. Der Muskelprotz war im nächsten Moment bei ihm und setzte zu einem gezielten Tritt in die Rippen an. Mit einem Kick gegen das Standbein, kam ihm Sven zuvor. Mit einem Schmerzenslaut knallte der Verbrecher rücklings auf der Erde auf. Sven war sofort über seinem Gegner und fesselte dessen Handgelenke, stärker als nötig, mit Kabelbinder. Tief durchatmend richtete er sich auf, schaute sich um und stutzte als er Dirk nirgends fand. Der laute Knall kam ihm wieder in den Sinn und die Sorge um seinen Partner übernahm sein Handeln. Er fixierte den Verbrecher am Laternenpfosten neben sich und begab sich auf die Suche nach Dirk. Seinen Gegner ließ er dabei in einer unbequemen Position zurück. Sven brauchte nicht lange suchen, um die Quelle des Knalls ausfindig zu machen. Keine zwei Meter vor ihm stand ein kleines weinendes Mädchen. Eine Frau kniete daneben und versuchte verzweifelt die Kleine zu beruhigen. Rechts daneben hatte sich eine Menschentraube gebildet. Einige blickten Sven mit einem entsetzten Gesicht entgegen, andere gestikulierten wild zwischen dem kleinen Mädchen und der Menschentraube hin und her. Kurzerhand schob er sich durch die Menschenansammlung. Auf dem Anblick vor ihm war Sven nicht gefasst gewesen und jede Farbe wich aus seinem Gesicht. Vor ein paar Minuten stand an dieser Stelle noch eine kleine Holzscheune mit Zaun darum. In dieser hatte man mit viel Liebe zum Detail ein Krippenspiel nachgestellt. In der Mitte der Scheune befand sich die Futtergrippe mit dem Jesuskind darin. Links und rechts daneben hatte dessen Eltern, die Heiligen drei Könige und der Hirte gekniet. Umringt wurden die hüfthohen Holzfiguren von ebenfalls aus Holz gefertigten Tieren. Nun war von dem einstigen Kunstwerk nichts mehr übrig. Das Dach der Scheune war nach rechts abgerutscht und auf dem Rücken eines der Holztiere zum liegengekommen, als der vordere Außenbalken mittig gebrochen ist. Die Figuren und das Stroh lagen jetzt wild verstreut unter dem Unterstand. Eine Bewegung in dem Chaos erregte Svens Aufmerksamkeit und seine Augen weiteten sich vor Schreck, als er Dirk erkannte. Sein Partner lag, begraben unter einem lebensgroßen Kamel, in der Futtergrippe und versuchte sich zu befreien. Sven zögerte keine Sekunde. Mit einem Satz war er bei ihm, hob das Kamel an und zog seinen Partner darunter hervor. Dirk wirkte noch reichlich benommen, als Sven ihm dann auf die Beine half. Bevor sein Partner ihn aber über die Umstände seines unfreiwilligen Aufenthalts aufklären konnte, kam das kleine Mädchen heulend angelaufen. „Es tut mir leid. Mama hat gesagt ich soll nicht weglaufen, aber ich wollte mir doch die Figuren angucken.“ Brachte die Kleine zwischen mehreren Schluchzern hervor. Dirk gelang ein schiefes Grinse, als er sich zu ihr herunterbeugte. „Sah schlimmer aus als es war. Hauptsache dir ist nichts passiert und ab sofort solltest du auf deine Mutter hören.“ Dirk tätschelte der Kleinen den Kopf und beruhigte noch die Mutter, bevor er sich ein Stück abseits seufzend an seinen Partner wandte. „Wenn Mark oder die Anderen hier jemals von erfahren, bin ich geliefert.“ Sven quittierte Dirks Aussage lediglich mit einem stummen Nicken, musste sich aber am Ende von Dirks Erzählung fest auf die Lippe beißen um nicht laut loszulachen. Sein Partner war bei der Verfolgungsjagd direkt hinter ihm gewesen, als sich linkerhand eine Lücke auftat. Dirk nutzte die Chance auf ein paar freie Meter und sprintete los. Im vollen Lauf zog er gerade an einer Gruppe Schaulustiger vorbei, als das kleine Mädchen hinter der Gruppe auftauchte und ihm direkt vor die Füße lief. Er hatte nur noch zwei kleine vor Schreck geweitete Augen wahrgenommen und war instinktiv weiter nach links ausgewichen. Mit einem uneleganten Sprung gelangte er über den Holzzaun vor sich, nur um im nächsten Moment schmerzhaft mit dem Außenbalken der Scheune zu kollidieren. Durch die Wucht des Aufpralls brach der Balken. Dirk wurde herumgeschleudert und landet rücklings in der Futtergrippe. Gerade als er sich fluchend wiederaufrichten wollte, sackte das Dach ab und riss das Holzkamel neben ihm um. Kopf an Kopf, ein helles Klong später und Dirk lag niedergeschlagen unter dem Kamel begraben. Bewusst ignorierte Dirk Svens belustigte Mine nachdem er mit seiner Erzählung geendet hatte und erkundigte sich bei seinem Partner lieber nach dem Verbleib des Verbrechers. Kurze Zeit später schafften sie diesen dann gemeinsam Richtung Ausgang.

Mark verstaute nach dem einseitigen Telefonat mit Dirk sein Handy wieder in der Tasche und beobachtete aufmerksam die vorbeikommenden Leute. Seine Tochter Rami tat es ihm gleich und fragte neugierig nach. „War das Dirk? Ist was passiert?“ „Die Beiden brauchen kurz meine Hilfe. Du musst in der Zeit auf die Jungs aufpassen, wenn es Probleme gibt rufst du mich sofort an.“ Damit war Ramis Neugier nicht mal im Ansatz befriedigt und so bekam Mark nur ein widerwilliges Nicken als Antwort. Das musste für den Moment reichen. Er folgt unauffällig zwei Männern in seinem Alter und tat so als würde er zu ihnen gehören. Lange brauchte er die Scharade nicht spielen. Ein paar Meter vor ihm tauchte schon die jüngere Ausgabe von Brad Pitt auf. Eine Personenbeschreibung hätte er in diesem Fall nicht gebraucht, denn der Teenager schaute sich auffällig oft nach Verfolgern um. Nach ein paar Schritten befanden sie sich auf gleicher Höhe. Mark nahm einen schnellen Richtungswechsel vor und im nächsten Moment landete seine Hand schwer auf der Schulter des Flüchtenden. Was für die Umstehenden wie eine freundschaftliche Geste wirkte, sorgte bei dem Teenager für einen instinktiven Fluchtreflex. Mark spürte dessen Anspannung und verstärkte seinen Griff. „Keine Spielchen, sonst wird es ungemütlich für dich.“, flüsterte Mark ihm ins Ohr. Von einer auf die andere Sekunde schien bei dem Jungen jeder Gedanke an Gegenwehr verpufft zu sein und so rechnete Mark nicht damit, als dieser sich aus seinem Griff wandte und ihm mit vor Schreck geweiteten Augen anbrüllte. „Nehmen Sie die Finger von mir, Sie Perversling!“ Der Teenager stolperte zwei Schritte Rückwärts und zog dabei eine perfekte Show ab. Mit einem Knurren überbrückte Mark die kurze Distanz und wollte den Bengel gerade wieder zufassen bekommen, als sich ihm eine Gruppe junger Männer in den Weg stellte. „Hey Opa, hast du nicht gehört? Du sollst deine Finger von dem Kleinen lassen. Such dir gefälligst wen in deinem Alter.“, pöbelte ihn einer der Männer an. Von der Ablenkung sichtlich begeistert, warf der Teenager Mark ein hämisches Grinsen zu, um im nächsten Moment wieder Richtung Ausgang zu laufen. Mark fluchte, ignorierte die Männergruppe und sprinte links an ihnen vorbei. Die Showeinlage hatte dem Jungen einen kleinen Vorsprung verschafft und Mark musste einen Zahn zulegen, damit ihm der Bengel nicht wieder entwischte. Im nächsten Moment glaubte Mark aber seinen Augen nicht mehr zu trauen. Rami hatte offensichtlich die Verfolgungsjagd beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass er Hilfe benötigt. Eine WhatsApp-Nachricht tippend ging sie dem fliehenden Teenager ein Stück entgegen, um ihn dann mit einem gutgetimten Fußfeger von den Beinen zu holen. Einen Augenblick später war Mark auch schon bei dem am Boden Liegenden. Unter lautem Protest fesselte Mark ihm die Hände und übergab ihn an die zwei heraneilenden Uniformierten. Nach einem tiefen Atemzug ging Mark auf seine Tochter zu, die gerade von Jan, Tim und Nicki für Ihre supercoole Aktion beglückwünscht wurde. Sie sahen sich kurz in die Augen, bevor Mark sie fest umarmte. „Verdammt Rami, mach sowas nicht nochmal!“ Fuhr er sie heftiger als gewollt an. „Ich weiß gerade nicht, ob ich stolz oder wütend auf dich sein soll. Trotzdem, gut gemacht Rami.“ Mark löste sich aus der Umarmung und sah Sven und Dirk mit dem zweiten Verbrecher entgegenkommen.

Wenige Minuten später waren alle Formalitäten geklärt und Dirk kam mit einem Grinsen auf ihn zu. „Der Kleine singt jetzt schon wie ein Vögelchen und sein Kumpel ist kurz davor. Die Geständnisse der Beiden reichen locker um den ganzen Laden dicht zu machen. Damit müssen wir die Infos nur noch hübsch als Paket verpacken und können den Rest den Kollegen aus Sachsen überlassen.“ Sven kam auf die beiden zu. „Wir waren zwar nicht so unauffällig wie geplant, aber immerhin erfolgreich und das doppelt, solange die Frauen nichts davon mitbekommen.“ Als plötzlich Alexs Stimme hinter ihnen ertönte, stöhnten Dirk und Sven synchron. „Was sollen wir nicht mitbekommen? Und wieso steht am Eingang ein Streifenwagen?“ Als keiner der Männer ihnen antwortete, setzte Britta nach. „Wir wollen sofort wissen was hier los war. Du kannst mit deiner aufgeplatzten Lippe anfangen, Sven.“, fuhr sie ihren Mann an. Hilfesuchend schaute Sven zu Dirk und Mark. Die Beiden waren aber zu sehr damit beschäftigt ihr Lachen zu unterdrücken und somit keine große Hilfe.

Bevor Sven jedoch zu einer Erklärung ansetzen konnte, ging Alex auf ihren Mann los. „Ich weiß nicht was es da zu lachen gibt, Dirk. Fang lieber an mir zu erklären, woher die Beule an deinem Kopf stammt und warum du Stroh in deinen Haaren hast!“ Mit einem Fluch wuschelte Dirk durch seine Haare und zuckte leicht zusammen, als seine Finger die verletzte Stelle berührten. Laura wollte ihrem Mann auch gerade eine paar Takte sagen, kam aber nicht dazu. Tim, Jan und Nicki, die bis jetzt mit ihrem Obst mit Schokoladenüberzug beschäftigt waren, redeten wild nacheinander los und erzählten den Frauen ihre Version der Geschehnisse. Dirk, Mark und Sven wurden in der Story kurzerhand zu Superhelden erklärt, die gemeinsam zwei fiese Schurken festgenommen haben. Während die Frauen die Story einfach so akzeptierten, machten Mark einige für die Jungs untypischen Sätze stutzig. Sein Verdacht woher die Story stammt bestätigte sich, als er auf dem Gesicht seiner Tochter ein zufriedenes Lächeln sah. Er beugte sich zu Rami hinunter und flüsterte ihr ein Dankeschön ins Ohr, bevor er sie kurz an sich zog. Rami blickte zu ihrem Vater auf und ihr Lächeln vertiefte sich. „Einer muss Euch ja den Rücken freihalten. Ist ja schließlich alles gut ausgegangen. Und außerdem ist bald Weihnachten, das Fest der Liebe, da solltet ihr euch nicht wegen jeder Kleinigkeit aufregen, sondern froh über jede Minute sein die wir zusammen verbringen können.“ Während Ramis Ansprache war der offensichtliche Ärger der Frauen verflogen und sie sahen erst Rami und dann ihre Männer schuldbewusst an. Sven brach daraufhin als erstes das Schweigen. „Ich finde, Rami hat Recht. Lasst uns versuchen den Rest des Abends noch zu genießen.“ Mit diesen Worten zog er kurzerhand seine Frau an sich und gab ihr einen leidenschaftlichen Kuss.

ENDE

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4 thoughts on “Kurzgeschichte: Tumult auf dem Weihnachtsmarkt

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