Heute habe ich etwas ganz besonderes für Euch aus der Feder von Michelle Schrenk. Letztes Jahr im Adventskalender hat sie uns das Rezept für „Lenas und Annes Rezept für Elisenlebkuchen“ verraten.
In diesem Jahr darf ich Euch zwei Bonustexte präsentieren. Zum einen „Ein Brief an Anna“ aus dem Buch „Unter halbblauem Himmel“ und dann „Die Sage der Nürnberger Elisenlebkuchen“.
Ein Brief an Anne
Irgendwann in der Vorweihnachtszeit
Liebe Anne,
kaum zu glauben, wie die Zeit dahinfliegt. Stell dir vor, bald fängt der Christkindlesmarkt an, und es ist so unwirklich, dass du nicht dabei sein kannst – weil es in so vielen Momenten so ist, als wärst du noch da. Immer wenn ich in den Himmel sehe, egal wo wir uns gerade befinden, weiß ich es einfach, dann kann ich dich spüren. Ja, lach nicht, es ist so. Du bist da, wo der Himmel ist. Und das kann in vielen Augenblicken, in denen ich dich vermisse, mir wirklich Trost spenden.
Gerade erinnere mich an unsere vielen gemeinsamen Übernachtungen, als wir noch Kinder waren, oder daran, wie wir mit deiner Mama, wenn die Weihnachtszeit näher rückte, Plätzchen, Kipferl und unsere leckeren Elisenlebkuchen gebacken haben. Weißt du noch, wie sie uns immer die Geschichte der Lebkuchen erzählt hat? Die alte Sage? Oder die vom Rauschgoldengel? Immer wenn ich Lebkuchen esse oder Engel sehe, muss ich daran denken. Wenn ich die Augen schließe, kann ich sogar den Duft von Mandeln und Nüssen riechen, der durch die kleine, warme Küche zog.
Ach Anne, ich vermisse dich. Ich vermisse so vieles, das nie wiederkommen wird und irgendwie doch immer bleibt – solange es die Erinnerungen gibt. Oh weh, jetzt kommen mir die Tränen, aber ich weiß ja, was du mir immer übers Weinen gesagt hast. Und nein, ich will nicht alt, faltig und runzelig werden – zumindest jetzt noch nicht, irgendwann schon. Deswegen blinzle ich jetzt mal lieber die Tränen weg und atme tief durch.
Hilfe! Themawechsel! Robin und ich sind viel herumgereist in den letzten Wochen. Es ist so unglaublich, er ist aufgeblüht und sprudelt nur so vor Energie. Wir verstehen uns so gut. Ohne ihn kann ich mir mein Leben gar nicht mehr vorstellen. Ihn bei mir zu haben, fühlt sich so nach zu Hause an, egal wo wir uns befinden. Ja, ich liebe ihn. Ich liebe ihn sehr, Anne. Wenn wir zusammen sind, ist es so schön. Von seinen Küssen kann ich gar nicht genug bekommen. Wie unglaublich sie schmecken. Wie warm es sich anfühlt, wenn wir zusammen sind. Noch nie in meinem Leben habe ich mich so geborgen gefühlt, so angekommen – als gehörten unsere Seelen einfach zusammen. Das Gefühl, zu lieben und geliebt zu werden, ist so viel mehr wert als alles Geld der Welt. Und wenn wir uns lieben … Na ja, das weißt du ja, wenn du uns beobachtest – aber ich hoffe natürlich, dass du das nicht ständig tust. Du weißt, was ich meine. Räusper.
Wer hätte das noch vor ein paar Wochen, ein paar Monaten gedacht? Wie schnell sich das Leben doch wenden kann, innerhalb von Minuten, sogar von Sekunden. Das Leben ist unglaublich, es öffnet Türen, schließt sie, und man muss auch den Mut haben, mal gegen eine bereits verschlossene Tür zu treten, bevor die Jahre vergehen und man bedauert, es nicht getan zu haben. Ich bin dir so dankbar, dass du mir mein Herz geöffnet hast. Dass du mir gezeigt hast, wie wichtig die Liebe ist. Dass sie so viel mächtiger ist, als mir bewusst war. Das sehe ich auch daran, wie tapfer André ist. Er vermisst dich in jeder einzelnen Sekunde des Tages. Manchmal ist es so merkwürdig. Schon der Gedanke, dass ich noch hier bin und du so früh gehen musstest, jagt mir einen Schauer über den Rücken. Doch du hast mir gesagt, dass alles im Leben seinen Sinn hat, seinen Lauf nimmt.
Weißt du, was mir eingefallen ist? Erinnerst du dich noch daran, wie wir uns immer Geschichten erzählt haben? Die Geschichten vom Wolkenspiegel? Oder von der Welt aus Staub? Ob es tatsächlich so einen Wolkenspiegel gibt? Diesen Spiegel, der uns den Lauf der Dinge zeigen kann? Oder diese Welt, in der die Erinnerungen immer leben? Ich mache mir sehr viele Gedanken darüber, und ich habe mir überlegt, etwas darüber zu schreiben. Zumindest habe ich da eine Idee, einen Gedanken.
Anne, ich hoffe sehr, dass es dir gutgeht.
Ich schreibe dir bald wieder.
Wir sehen uns, wenn ich in den Himmel schaue.
Deine Lena
******
Bonus
Die Sage der Nürnberger Elisenlebkuchen
Die Tochter des Kaisers war sehr krank geworden. Sie war schwach, brachte keinen Bissen mehr hinunter und wurde von Tag zu Tag schwächer. Das machte ihren Vater sehr traurig, denn es gab nichts und niemanden, der ihr helfen konnte. Da ließ er verzweifelt verkünden, dass derjenige, der es schaffen würde, seine Tochter gesund zu machen, reich belohnt werden sollte.
Das hörte ein Bäcker, dessen Tochter vor Jahren ebenfalls krank geworden und gestorben war. Er wusste, wie traurig der Kaiser war, und konnte dessen Kummer sehr gut nachvollziehen. Es musste doch eine Lösung geben, dachte sich der Bäcker. Also grübelte er und kam zu einer Lösung: Wenn er der Kaiserstochter etwas Besonderes backen würde, etwas ganz Einmaliges, dann würde sie vielleicht wieder zu essen beginnen, zu Kräften kommen und wieder gesund werden.
Er ging in die Backstube und rührte voller Liebe einen Kuchenteig mit viel Honig, Nüssen, Mandeln und Zimt an. Der Teig schmeckte so wunderbar. Doch als er die besonderen Kuchen – die Lebkuchen – aus dem Ofen zog, waren sie zerlaufen und sahen gar nicht schön aus. Auch wenn sie herrlich schmeckten, wusste der Bäcker, dass er die Lebkuchen der Kaiserstochter so nicht bringen konnte.
Traurig ging er schlafen. Da hatte er einen Traum. Einen ungewöhnlichen, glitzernden Traum. Er sah seine Tochter wie einen Engel auf einer weißen Wolke sitzen. Lächelnd schnitt sie ein Stück von der Wolke ab und flog damit in die Backstube. Sie nahm das Stück Wolke, legte es auf den Tisch und breitete es aus, bis es ganz zart und dünn wie Papier war. Anschließend schnitt sie viele kleine Scheiben daraus und legte sie auf ein Backblech. Dann verschwand sie wieder.
Am nächsten Morgen – der Bäcker glaubte noch immer, dass er nur geträumt hatte – staunte er, denn er fand das seltsame Wolkenpapier tatsächlich in seiner Backstube. Magie!
Er beschloss, das geheimnisvolle Papier zum Backen zu verwenden. Vorsichtig legte er kleine Teighaufen auf die Oblaten – so nennt man heute das Wolkenpapier – und schob sie in den Ofen. Als er das Blech wieder herausnahm, befanden sich darauf schöne, duftende Lebkuchen. Er nahm eine Dose und schrieb das Wort Elisenlebkuchen darauf – zu Ehren seiner verstorbenen Tochter Elise. Sogleich brachte er sie der Kaiserstochter. Und wie durch ein Wunder wurde diese wieder gesund. Das machte den Kaiser so glücklich, dass er den Bäcker zu seinem Hoflieferanten ernannte, und das war eine große Ehre.
Noch heute gibt es in Nürnberg die Elisenlebkuchen, die so himmlisch schmecken, als hätten die Engel persönlich sie gebacken.