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Der Gang vor die Hunde von Erich Kästner

Markus ist jemand, der seine Bücher gern mal gegen den sonst üblichen Mainstream auswählt und dabei kann es auch „passieren“ das er zu einem politischen Thema greift. So geschehen im Dezember, wo er sich das Erich Kästner-Buch „Der Gang vor die Hunde“ griff. Dieses Buch hat ihn während und auch dem Lesen sehr beschäftigt. Er hat viel darüber gesprochen, es klang bzw. klingt lange in ihm nach. Und so ist es nicht verwunderlich, dass er sehr lange gebraucht hat, diese Rezension zu schreiben. Es ist nicht nur eine einfache Rezension geworden; es wurde eine Analyse zu dem Buch. Und da dieser Bericht sehr lang ist, habe ich ihn in zwei Teile – Rezension und Analyse – gesplittet.

Rezension:

Als Dresdner ist einem Erich Kästner ein Begriff – seine Jugendbücher kennt jeder und ich hatte auch schon gehört, dass seine Werke der Bücherverbrennung der Nazis zum Opfer fielen.

Ein „Erwachsenenbuch“ von ihm zu lesen, war ein besonderer Reiz für mich. Als ich in einer Berliner Buchhandlung den Klappentext von „Der Gang vor die Hunde“ gelesen hatte, wusste ich, dass ich dieses Buch lesen wollte. Zum Glück habe ich es dann von Karin (ebenso Rezensentin bei Katjas Bücher und Rezepte) geschenkt bekommen.

Nach einigen Seiten fing ich auf einmal an, mir Notizen zu machen, sehr viele Notizen. Inhalt, Sprache und Form haben mich fasziniert und so ist diesmal nicht nur eine Rezension, sondern irgendwie eine Buchanalyse entstanden.

Die Kurzfassung vorab, da die Analyse zahlreiche Spoiler enthalten wird:

Die gelungene Darstellung einer Epoche und der Protagonisten die in einer Zeit von Unsicherheit, Wandel, Verzweiflung und moralischem Verfall ihren Weg suchen, ist schlicht fesselnd. Dr. Jacob Fabian („Fabian“ war der Titel des ursprünglich erschienenen, zensierten Buches) wohnt in Berlin, arbeitet als Propagandist – heute würde man irgendwas Werbetexter sagen – hat interessante Freunde, trifft absurde Leute und kreist am Randes eines Molochs. Das Berlin der späten 20er Jahre ist ein modernes Sodom und Gomorrha, vom den Entbehrungen seit Ende des (ersten) Weltkrieges gezeichnet, bildeten sich Elend, Kriminalität und Perversionen heraus, die Kästner mit den gleichmütigen Augen Fabians sehen lässt.

Mit einer Mischung aus Faszination und Gleichgültigkeit nimmt Fabian dies alles hin und behält immer eine gewisse Distanz. Durch sie taucht er nie wirklich ein, kann überlegen die Dinge mit Abstand, vor allem aber mit Ironie beobachten.

Doch die Geschichte beginnt zu Wanken und dieses Wanken lässt dem Moralisten keine Wahl – er muss in dieses Leben eintauchen. Man erlebt die Wandlung vom gleichgültigen Pessimisten zum verletzbaren Optimisten.

Die brillante Schreibweise von Kästner sagt in wenigen Worten mehr, als viele es in dutzenden Seiten ausdrücken können. Gekonnt fängt er dein Zeitgeist ein, die Gesellschaftlichen Nöte, Zwänge und Probleme. Er beschreibt das Vakuum, welches einige Jahre vor Machtergreifung der Nazis herrschte, ebenso wie den Verfall der Sitten in einer Gesellschaft, die die Moral dem Geld unterordnet, weil Arbeitslosigkeit und Machtmissbrauch sie zerreißen. Er ahnte mit diesem Werk den Aufstieg einer radikalen Macht voraus, benannte sie und musste doch stummer Zuschauer bleiben. Man kann sagen, dass er dem Buch teils autobiografischen Charakter gab.

Kurz gesagt handelt dieses Buch vom gesellschaftlichen Nährboden dessen, was das Dritte Reich zur Folge hatte.

Die Fülle an Symbolen, an Beschreibungen und Fakten packt Kästner in weniger als 250 Seiten. Anhänge, wie z.B. das originale Nachwort, vervollständigen ein Werk, dessen Tiefe mich begeistert und doch erschrocken hat. Wenn man Kästners Blick auf die Gesellschaft 1931 kennt, dann weiß man wie unausweichlich der folgende Untergang der Weimarer Republik war. Wohl gemerkt aber, weil die Vernünftigen nicht eingegriffen haben.

Ich kann diesem Buch nicht weniger als volle 5 Punkte geben. Alles andere wäre diesem Meisterwerk nicht gerecht.

Daten:
Autor: Erich Kästner
Titel: Der Gang vor die Hunde (früherer Titel: Fabian)
Gebundene Ausgabe: 320 Seiten
Verlag: Atrium (2013)
ISBN: 978-3-85535-391-0

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