Ein Bestseller! Der im Rowohlt Verlag erschienene Roman belegte für 37 Wochen den ersten Platz der Spiegel-Bestsellerliste.
Normalerweise scheue ich „Bestseller“ wie der Teufel das Weihwasser. Zu oft sind die Hypes bei genauerer Betrachtung fade und man muss sich fragen, wer in aller Welt diesen Schund denn zum Bestseller erklärt hat bzw. wie viele Dumme sich gefunden haben diesen zu lesen.
Hier ging es jedoch nicht um einen Thriller, dieses Buch handelt weder von Vampiren, noch von pseudo-perversen Neigungen. Hier ging es um einen großen Mathematiker und einen Naturforscher – Spitze auf ihrem Gebiet – hier konnte man neben ein paar Anekdoten sicher noch etwas lernen!
Das Buch beginnt, als der „Fürst der Mathematik“ Carl Friedrich Gauß zur 17. Tagung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte aufbricht. Nach dem mühsamen Weg trifft er auf Humboldt, der ihn eingeladen und freudig erwartet hat.
Abwechselnde Kapitel erzählen im Folgenden die Lebensgeschichte bis zu ihrem zusammentreffen.
Diese Kapitel sind neben der literarischen Nachempfindung der unterschiedlichen Lebenswege vor allem eine ausgiebige Charakterstudie der beiden Größen. Beide sind überheblich ob ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz und Auffassungsgabe.
Beide werden dabei nicht in ein allzu gutes Licht gestellt, ihre menschlichen Schwächen als Gegenpol zu ihrer Genialität gesetzt – sie sind beide auf ihre Art total weltfremd.
In den späten Kapitel, die nach dem Treffen spielen, als die beiden Briefkontakt halten, wird ihr jeweiliger Verfall aufgezeigt. Es stellen sich beide elementaren Fragen nach ihrem Wirken und blicken auf die nachfolgende Forschergeneration. In diesem Teil trennen die Kapitel nicht die Geschichten der Charaktere, es geht in jedem Kapitel (ausgenommen dem letzten) um beide und die Erzählperspektive wechselt ständig. Es geht um das Altern im Allgemeinen, den Verfall und wie die großen Männer von ihrer Umwelt behandelt werden, ist ihre Glanzzeit erst einmal vorbei. Dieser Teil macht nachdenklich und ist an und für sich ein interessanter Denkansatz. Vielleicht noch der beste am gesamt Buch.
Soweit so gut. Wäre da nicht der furchtbare Schreibstil in indirekter Rede. Dialoge ohne Anführungszeichen. Hochtrabende Abhandlungen, welche die beschriebene Arroganz der Protagonisten mit Schriftstellerischer Überheblichkeit noch steigert.
Das Buch ist – pardon – scheiße zu lesen. Ein wirklicher Lesefluss ist praktisch nicht möglich, es sei denn man liest quer. Liest man intensiv wird man zwischen trägen Belanglosigkeiten und Informationsüberflutung hin und her gerissen.
Der durchweg ironische Erzählton nervt schon nach kurzer Zeit und die Anekdoten und der Witz verkommen leider zu oft zum überheblichen Spott des Autors.
Da in Summe der Ansatz weiterhin gut ist und der Lesegeschmack durchaus verschieden, kann eine objektive Beurteilung hier nicht möglich sein.
Ich war jedenfalls enttäuscht, hatte ich mich doch auf ein tolles Werk über herausragende Persönlichkeiten gefreut. Die überwiegend positive Rezeption kann ich nicht teilen – viel zu sehr stören mich der Schreibstil und die Verhunzung des Stoffes.
Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass bei Bestsellern äußerste Vorsicht geboten ist. Was die Kritiker hoch loben, – aus welchen Gründen auch immer – trifft nicht mit Sicherheit den persönlichen Geschmack.
Hier heißt das mit letzter Not knappe 3 Sterne. Und ich muss sagen, ich bin froh, dass ich das Buch endlich weglegen durfte.
Daten:
Autor: Daniel Kehlmann
Titel: Die Vermessung der Welt
Taschenbuch: 304 Seiten
Verlag: rororo (Februar 2008)
ISBN: 978-3499241000