Auf diesem Blog dreht es sich rund um Bücher, Rezensionen, Buchvorstellungen, Interviews und das Kochen von leckeren Speisen aus Topf und Pfanne.

Türchen 4: Eine Weihnachtsgeschichte

Heute habe ich etwas ganz besonderes für Euch – etwas, das mich zu Tränen gerührt hat und über das ich total happy war. Was das ist? Was das für eine Weihnachtsgeschichte ist? Schaut selbst 🙂

Vor einiger Zeit fragte Katja mich, ob ich etwas für ihren Blog-Adventskalender schreiben könnte, zum Beispiel, was für mich zu Weihnachten unbedingt dazugehört. Nun könnte ich natürlich etwas über Filme schreiben, die wir in der Zeit gerne sehen – Drei Nüsse für Aschenbrödel und als Kontrastprogramm Schöne Bescherung mit Arnie. Oder ich beschreibe euch unseren kunterbunt geschmückten Tannenbaum, an dem fast jede Kugel und jedes Teil eine besondere Geschichte hat – das glitzernde Eichhörnchen ebenso wie die Glocken mit dem HSV-Emblem. Aber eigentlich finde ich es viel wichtiger, sich zu überlegen, was Weihnachten wirklich ausmacht oder eher ausmachen sollte und heute viel zu oft vergessen wird. Um was es dabei geht, ist gar nicht so einfach herauszufinden – wie auch Luc DeGrasse feststellen muss.

Viel Spaß, wenn ihr Luc auf einer ganz besonderen Mission begleitet!
Ich wünsche euch und euern Familien eine frohe Weihnachtszeit!

 

Luc – Mission „Weihnachten“

Luc blickte mit zunehmender Verzweiflung auf den Monitor. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr und er war der Lösung seines Problems keinen Schritt weiter. Das Warenangebot von amazon war gigantisch, aber nichts davon schien ihm das passende Geschenk für Jasmin zu sein. Parfüm? Er liebte den Duft, den sie benutzte, und davon besaß sie noch reichlich und sie verwendete es sowieso sehr sparsam. Schmuck? Ein schlichter, eleganter Ring mit einem Smaragd in der Farbe ihrer Augen war ihm vor kurzem bei einem Juwelier aufgefallen und befand sich in seiner Schreibtischschublade. Aber Schmuck unter dem Tannenbaum zu verschenken, war einfallslos und gewöhnlich. Das Geschenk würde er sich für einen besseren Zeitpunkt aufbewahren, irgendwann, wenn sie zu zweit und nicht von der ganzen, neugierigen Familie umgeben waren.

Frustriert schlug er auf den Schreibtisch. Das konnte doch nicht wahr sein. Als Lieutenant Commander der US Navy SEALs konnte er mit seinem Team die unterschiedlichsten Missionen im gefährlichsten Terrain planen und ausführen, aber an einem einfachen Geschenk drohte er zu scheitern. Und scheitern war bei ihm einfach nicht vorgesehen – niemals. Zwar war er es gewohnt, unter Zeitdruck zu arbeiten, und hatte damit normalerweise kein Problem, aber die wenigen Tage, die ihm noch blieben, machten ihn nervös. Jasmin würde sich ihre Enttäuschung nie anmerken lassen. Vermutlich könnte er mit einem Kochbuch aufkreuzen und sie würde ihn strahlend anlächeln. Aber das wollte er nun wirklich nicht.

Ein weiteres Mal klickte er auf die „Vorschläge“, die der Online-Händler ihm anbot. Großartig, ein Hundehalsband in pink mit Glitzersteinen. Erstens hatte er keinen Hund und zweitens würde er so ein Ding nicht in der Nähe eines Tieres dulden. Das Topfset mit goldenen Griffen und eingravierten Blumen wäre vielleicht als Ziel für ihre Schießübungen ideal, würde sich aber niemals ihrer Küche nähern. Etwas Praktisches? Einen Schal, ein Tuch aus Kaschmir? Schon eher, aber auch noch nicht das, was er sich vorstellte. Trotzdem beförderte er ein Dreieckstuch aus Kaschmir in den Warenkorb. Der Grünton passte perfekt zu ihren Augen und das dezente Goldmuster erinnerte ihn an Afghanistan. Das war ein Anfang, aber noch lange nicht die Lösung.

Die Tür zu seinem Büro flog auf und Scott, sein Freund und Stellvertreter im Team, stand mit einem Stapel Papiere in der Hand vor ihm. Dem blonden, hochgewachsenen Texaner reichte ein Blick auf Lucs Miene und er fing an zu lachen. „Eigentlich wollte ich dich an die Personalbögen erinnern, die du heute noch an Mark weiterleiten musst, aber du siehst aus, als ob du immer noch auf der Suche nach einem Geschenk für Jasmin bist.“

„Eins habe ich schon“, wiegelte Luc ab, aber das klang auch in seinen Ohren nicht überzeugend. Wie üblich nahm Scott auf Privatsphäre keine Rücksicht, sondern baute sich hinter Lucs Schreibtischstuhl auf und sah neugierig auf den Monitor. Dann pfiff er leise durch die Zähne. „Nettes Tuch. Und so praktisch für Kalifornien, wo die Temperaturen ja so oft unter Null fallen.“

Die Nachhilfe in Wetterkunde hätte Scott sich sparen können. Luc gab als Antwort ein Knurren von sich, das seinen Freund nur weiter zum Lachen brachte. Scott beugte sich vor und nahm wie selbstverständlich Lucs Handy vom Schreibtisch. „Du bist ein hoffnungsvoller Fall, Luc. Du brauchst professionelle Hilfe, das ist mir jetzt klar. Und glaub mir eins, wenn du den Papierkram nicht bald erledigst, bekommst du richtig Ärger. Mark hasst diese Formalitäten genau wie du und will sie vom Tisch haben. Also erst Hilfe suchen, Problem Nummer eins lösen, und dann endlich auf den Job konzentrieren. Verstanden, Boss?“ Scott wartete keine Antwort ab, sondern wählte eine Kurzwahl aus Lucs Kontakten.

Vergeblich versuchte Luc, das Handy zurückzuerobern. Schmunzelnd wich Scott zurück. „Was soll der Mist? Wen rufst du da eigentlich an?“

„Wirst du ja gleich hören.“

Die Art und Weise, wie Scott wenige Sekunden später jemanden begrüßte, verriet Luc genug und er stöhnte unwillkürlich auf. Nur gegenüber Lucs Mutter schlug sein Freund diesen höflichen Ton an und schien sich an Manieren zu erinnern, die ihm sonst fremd waren. Musste dieser Idiot sie unbedingt einschalten? Das hatte ihm noch gefehlt. Als Scott ihr nun auch noch erklärte, warum Luc dringend ihre Hilfe benötigte, überlegte er ernsthaft, ob er zu seiner Dienstpistole greifen sollte. Seinen Freund zu erschießen, wäre vermutlich übertrieben. Aber nichts sprach dagegen, ihm wahlweise die Waffe an den Kopf zu werfen oder sein eigenes Telefon mit einer Kugel zu erlegen. Schließlich gehörte es immer noch ihm. Mit einem spöttischen Grinsen hielt Scott ihm nun das Handy hin.

Leider brachte Luc es nicht fertig, das Gerät an die Wand zu werfen, wenn seine Mutter sich in der Leitung befand. Natürlich war ihr das Lachen anzuhören, als sie ihn liebevoll begrüßte. Vielleicht war der Anruf bei ihr doch keine so schlechte Idee und er würde Scott leben lassen. Es war fast wie damals als Kind, wenn ihm die Probleme über den Kopf wuchsen, und schon ihre Anwesenheit ihn aufatmen ließ.

„Hi, Mom. Scott übertreibt natürlich. Aber falls du tatsächlich eine Idee hast, dann wäre ich dir dankbar.“

„Habe ich mein Junge, aber ich denke, darauf solltest du alleine kommen. Es wäre nicht das gleiche, wenn ich dir etwas vorschlagen würde, auf das du auch noch kommen wirst.“

Nicht auch das noch. Solche kryptischen Äußerungen halfen ihm nicht weiter. „Also das hilft mir nicht wirklich weiter.“

„Wird es noch, Lucien. Ein paar Tage Zeit hast du ja noch und Jasmin wird dich lieben, egal, was du für sie hast. Selbst wenn du nicht darauf kommst, was sie sich wünscht. Denk doch mal daran zurück, wie es früher war. Was hat dir denn am meisten an den Weihnachtstagen bedeutet?“

Spontan fiel ihm das silberne Rennrad ein, das er als Zehnjähriger bekommen hatte, aber das würde seine Mutter wohl kaum gemeint haben. So ungern er es auch zugab, er hatte keine Idee, woran seine Mutter dachte.

Sie wechselten noch einige Worte, die ihm auch nicht weiterhalfen. Als er sich verabschiedete, spürte er die Gewissheit seiner Mutter, dass ihm noch der rettende Einfall kommen würde. Wenn er nur selbst auch davon überzeugt wäre. Da er das Telefon sowieso schon in der Hand hielt, konnte er etwas tun, von dem er nicht geglaubt hätte, es jemals zu tun. Er ignorierte Scotts fragende Miene und wählte die Nummer von Jay. Vielleicht konnte der Kleine ihm ja tatsächlich weiterhelfen.

Luc hielt sich nicht mit einer Begrüßung auf. „Was schenkst du Beth zu Weihnachten?“ Okay, die Frage klang wie ein Knurren, aber damit musste der FBI-Agent leben.

„Was ich … Sekunde mal, Luc. Sie steht direkt neben mir und konnte bei deiner Lautstärke die Frage auch nicht überhören.“ Luc hörte eine oder zwei Türen zuschlagen, dann meldete sich sein Bruder wieder: „Geht es darum, was ich Beth schenke, oder hast du immer noch nichts für Jasmin gefunden?“

„Natürlich geht es darum. Also?“

„Nachdem du mich so nett fragst: Du weißt ja, dass ihre Kindheit etwas problematisch war. Sie bekommt eine neue Plüscheule, die ein Ticket für eine Woche Florida inklusive drei Tage Disney World im Maul hält. Natürlich mit mir zusammen und …“

Obwohl es undankbar war, legte Luc einfach auf. Jays Geschenk war in jeder Hinsicht perfekt. Es gab zwar auch in Kalifornien einen ähnlichen Vergnügungspark, aber das wäre nicht das Gleiche gewesen. Er konnte sich gut vorstellen, wie Beth staunend wie ein Kind mit strahlenden Augen die ganzen Attraktionen genoss. Verdammt, genau so etwas brauchte er.

Da er seinen Ruf bei seinen Brüdern sowieso schon riskiert hatte, konnte er genauso gut auch noch Rob anrufen. Besetzt. Vermutlich Jay. Er sollte sie alle umbringen. Einen nach den Anderen. Beim zweiten Versuch hatte er Erfolg.

Rob nahm sich keine Zeit für eine Begrüßung, sondern lachte sofort los. „Jay hat mich schon vorgewarnt, dass du anrufen könntest. Eine einwöchige Wandertour durch die Blue Ridge Mountains, gleich in Anschluss an das Weihnachtstreffen zu Hause. Cat wollte dort schon immer mal hin und zu dieser Jahreszeit müssten wir die Wanderstrecken für uns alleine haben.“

Der Ausflug in die verschneiten Berge mit den riesigen Waldflächen, die ganz anders als Cats geliebter Yosemite-Nationalpark waren, wären tatsächlich ein perfektes Geschenk für sie. Anscheinend war er der Einzige, der absolut unfähig war, etwas für die Frau zu finden, die er liebte. Das war keine Erkenntnis, die ihm gefiel.

Er wollte schon auflegen, als Rob ihn daran hinderte. „Denkst du daran, noch etwas für Mouna zu besorgen? Du weißt, dass du unter ihren selbst gewählten Onkels ihr Lieblingsonkel bist.“

Die Ermahnung war überflüssig. Er liebte die Tochter von Robs Freund Murat, als ob sie sein eigenes Kind wäre. „Natürlich, das Geschenk ist schon unterwegs und müsste morgen bei mir eintreffen.“

„Und was ist es?“

„Etwas für das mich Murat umbringen wird, aber Mouna hat neulich im Spielzeugladen davorgestanden und … na, ehe du es ihm verrätst, sage ich lieber gar nichts mehr.“

Luc starrte wieder auf den Monitor. Einzelne Wörter aus den Gesprächen bekamen plötzlich eine andere Bedeutung. Er hatte Scotts Anwesenheit beinahe vergessen, als sein Freund sich räusperte und auf den Stapel Papiere tippte. Ach ja, diese verdammten Personalangaben, die zu statistischen Zwecken erhoben wurden, die keiner brauchte.

„Sag mal, Scott, was ist für dich eigentlich Weihnachten?“

„Früher nur ein paar freie Tage. Seitdem deine Familie mich zum ersten Mal eingeladen hat etwas ganz Besonderes.“

Familie … es ging nicht um das silberne Rennrad, auch nicht um Schmuck. Das war der Punkt, der wichtig war. Schlagartig wusste Luc, was er zu tun hatte. Es würde nicht einfach werden, aber er war noch nie einer Herausforderung ausgewichen. Beginnen würde er mit einer kleinen, aber feinen Rache an Scott.

Luc stand auf und griff nach seiner Jacke. „Du kennst meine Passwörter und unsere Männer. Füll die Formulare aus und schick den Mist in meinem Namen an Mark. Ich muss was erledigen, das keine Sekunde länger warten kann.“ Ehe Scott protestieren konnte, rannte er zu seinem Porsche.

 

Mit quietschenden Reifen verließ Luc den Parkplatz und fuhr Richtung San Diego. Vor dem Gebäude, in dem sich das Büro seines Bruders Rob befand, hielt er sich nicht mit einer Parkplatzsuche auf, sondern blockierte einen silbernen Mercedes und einen Geländewagen. Bei beiden Fahrzeugen kannte er schließlich die Besitzer. Statt auf den Fahrstuhl zu warten, steuerte er das Treppenhaus an und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Im richtigen Stockwerk angekommen, winkte er Loreen am Empfangstresen nur flüchtig zu und stürmte in das Büro von Murat.

Erschrocken fuhr Robs Freund zusammen und hatte eine Hand bereits in der Schreibtischschublade. „Sag mal, geht es dir noch gut, Luc?“

„Entschuldige den Überfall. Aber mir ist gerade eingefallen, was ich Jasmin zu Weihnachten schenken könnte und da dachte ich …“ Murat sah ihn so ungläubig an, dass Luc sich lachend auf einen der Stühle in der Besprechungsecke fallen ließ.

Kopfschüttelnd kam Murat zu ihm und setzte sich ihm direkt gegenüber. „Was hat dein Auftritt in meinem Büro mit Jasmins Geschenk zu tun?“

Als Luc ihm den Zusammenhang erklärt hatte, schwieg Murat und der Zwiespalt war ihm anzusehen. „Dein Timing klingt gut, aber ich kann nicht …“

„Du kannst und du wirst.“

Luc und Murat fuhren beide herum. Es kam nicht oft vor, dass es jemandem gelang, sich ihnen unbemerkt zu nähern. Murats Frau Fatima war es geglückt. Noch nie hatte Luc sie so energisch erlebt. Fatima trat näher und stellte sich so dicht vor Murat, dass er keine Chance hatte, aufzustehen.

Lächelnd legte sie ihm die Hände auf die Schulter. „Ich habe Lucs Vorschlag mitangehört. Wir werden die paar Tage ohne dich auskommen, dich jedoch fürchterlich vermissen. Du wirst fliegen, mein Mann.“

Murat verzog den Mund. „Drüben in Afghanistan hätte sie sich nie so aufgeführt.“

Das Funkeln in Fatimas Augen besagte das Gegenteil.

In Afghanistan hatte die Familie viel Leid erleben müssen und wäre daran beinahe zerbrochen. Dann war auch noch Murat angeschossen worden war, als er Jasmin das Leben gerettet hatte. Luc hatte danach dafür gesorgt, dass Murat in Amerika behandelt worden war. Die Familie hatte dann hier ein neues Zuhause gefunden und war wegen ihrer kleinen Tochter nicht in das von Unruhen beherrschte Land zurückgekehrt.

Langsam nickte Murat. „Also gut. Wenn Luc alles wie geplant organisieren kann, bin ich einverstanden.“

Fatima lächelte zufrieden. „Gut, dass du nachgibst, ehe ich zu anderen Drohungen greifen muss. Ich warte dann draußen, bis ihr fertig seid.“

Rasch stand Luc auf. „Wir sind durch. Danke, Fatima. Wir sehen uns dann bei meinen Eltern.“

„Werden wir. Aber eins noch, Luc: Dein Weihnachtsgeschenk für Mouna sollte eine gewisse Größe nicht überschreiten und keine übermäßig lauten Geräusche von sich geben. Hast du das verstanden?“

Als erfahrener Soldat wusste Luc, wann nur noch ein schneller Rückzug half.

 

Es war höllisch knapp gewesen, aber am Ende hatte alles perfekt gepasst. Weihnachten würde für Jasmin dieses Jahr etwas früher als üblich beginnen, aber darauf kam es nicht an. Jasmin und er würden den Tag keineswegs so verbringen, wie sie es sich vorgestellt hatte. Er konnte sein Grinsen kaum verbergen, als sie ihm einen Kaffeebecher zuschob. Zum Glück ahnte sie nicht, dass ihr Gepäck sich bereits im Kofferraum seines Wagens befand.

Misstrauisch runzelte sie die Stirn. „Du siehst aus, als ob du irgendetwas ausgeheckt hast.“

„Das könnte man so sagen. Aber da bald Weihnachten ist, musst du dich noch etwas gedulden.“

„Noch zehn Tage, das ist unfair.“

„Ich verspreche dir, dass du es früher erfahren wirst und nun trink deinen Kaffee aus. Wir müssen gleich los.“

„Und wohin? Wir wollten doch nachher …“ Den Kopf etwas schief geneigt, sah sie ihn an. „Du wirst dich doch nicht vor dem Essen mit meinen Kollegen drücken, oder?“

Das war allerdings ein angenehmer Nebeneffekt seines Plans.

Jasmin wirkte zwar nicht überzeugt, aber sie frühstückten schnell zu Ende und räumten zusammen die Küche in Rekordzeit auf. Neugierig folgte sie ihm dann zu seinem Porsche, stieg aber nicht ein.

„Versteckst du da etwas hinter deinem Rücken?“

„Stimmt, der erste Teil deines Weihnachtsgeschenkes.“ Er zeigte ihr das Tuch aus Kaschmir und drapierte es um ihren Hals. „Perfekt. Genau die gleiche Farbe wie deine Augen. Du bist wunderschön, Jamila.“

„Und du bist verrückt. Das hat doch ein Vermögen gekostet.“ Sie strich über den Stoff. „Aber es ist traumhaft, nur bei fast zwanzig Grad etwas zu warm. Aber egal, ich behalte es um.“

„Warte ab, ich verspreche dir, du wirst es heute noch brauchen.“

„Fahren wir in den Yosemite?“

„Nein.“

Er zwinkerte ihr zu und bugsierte sie sanft auf den Beifahrersitz.

Eine halbe Stunde später hielt Luc auf dem Parkplatz von Halsey Field, dem Militärflughafen am nordwestlichen Ende von Coronado. Murat und seine Familie warteten bereits auf sie.

Als Mouna sofort auf ihn zulief, nahm Luc sie auf den Arm und warf sie in die Luft. „Hallo Prinzessin.“

„Und ihr seid bestimmt rechtzeitig zurück?“

„Na sicher. Ich werde doch meinem Lieblingsmädchen sein Weihnachtsgeschenk persönlich geben.“

„Ich freue mich schon. Hast du schon gehört, dass wir heute schon zu Grandma fliegen? Das wird bestimmt lustig, aber noch lustiger wird es, wenn wir alle zusammen sind.“

Er würde sich nie daran gewöhnen, dass seine Mutter, die soviel jünger wirkte, von Mouna als „Großmutter“ bezeichnet wurde. Aber das zeigte nur, wie eng die Verbindungen zwischen ihnen waren. „Und das werden wir sein, Mouna. Ich verspreche es dir.“

„Gut, denn sonst ist es kein Weihnachten.“

Damit hatte das Mädchen den Kern von Weihnachten auf den Punkt gebracht. Jasmin sah ihn ungläubig an. Vermutlich hatte sie die Zusammenhänge bereits richtig interpretiert. So sehr sie Lucs Familie auch in ihr Herz geschlossen hatte, gab es auch in Afghanistan Männer, die sie vermisste und die für sie wie Brüder waren.

„Heißt das, dass wir … dass du …“ Stotternd brach sie mitten im Satz ab.

„Ja, Jamila. In dreißig Minuten startet ein Flieger nach Kunduz und wir werden an Bord sein. Wir und Murat verbringen ein paar Tage bei Hamid und Kalil und sind rechtzeitig am zweiten Weihnachtstag in Charleston. Von da aus fahren wir dann weiter zu deinen Onkels nach Virginia. Mom hat dafür vollstes Verständnis und das Familientreffen etwas nach hinten geschoben. Auch Fatima und Mouna verzichten ein paar Tage auf Murat, damit er seine Freunde treffen kann. Wir haben zwar noch nicht Weihnachten, aber ich dachte, das wäre das passende Geschenk für dich. Weihnachten sollte man mit seiner Familie verbringen und wenn man zwei Familien hat, muss man eben seine Zeit aufteilen.“

Jasmin schluckte und umarmte ihn so heftig, dass er rückwärts gegen den Porsche taumelte. „Wie konntest du nur wissen, dass ich mir das am allermeisten gewünscht habe? Aber ich dachte, das wäre unmöglich.“

„Heißt das, wir können das Treffen mit deinen Kollegen gegen ein Treffen mit Kalil und Hamid eintauschen?“

Lachend boxte sie ihm in die Rippen. Ihre Freude fuhr ihm direkt ins Herz und er fragte sich ernsthaft, warum er nicht früher auf die Idee gekommen war.

Die Sonne versank hinter den Bergen mit einem fantastischen Farbenspiel, das Luc trotz der klirrenden Kälte ins Freie gelockt hatte. Morgen früh würden sie schon zurück nach Amerika fliegen, aber sie hatten jede Minute in dem kleinen afghanischen Dorf genossen. Eigentlich war die Reise nicht nur ein Geschenk für Jasmin gewesen, sondern hatte viel mehr Menschen glücklich gemacht. Murat und Luc hatten sich über das Wiedersehen mit ihren Freunden genauso sehr gefreut, wie die Afghanen über ihren kurzfristigen Besuch. Trotz des Abschieds von Kalil und Hamid, die ihm nahe wie eigene Brüder standen, freute sich Luc nun auch auf das Familientreffen. So sehr seine Brüder auch manchmal nervten, so wenig wollte er zu Weihnachten auf ihre Gesellschaft verzichten. Wenn die Umstände doch bloß anders wären und einfachere Besuche zwischen den beiden Familien erlauben würden. Aber unerfüllbare Wünsche brachten sie nicht weiter, sondern sie mussten eben das Beste aus den widrigen Umständen machen. Es war eben nicht vorgesehen, dass zu den engsten Freunden eines Navy-Offiziers Afghanen gehörten, die fälschlicherweise als Taliban gesucht wurden.

Die leisen Schritte hinter ihm erkannte er sofort. Jasmin. Sie schmiegte sich an seinen Rücken und beobachtete ebenfalls den Sonnenuntergang. „Es ist atemberaubend schön.“

Trotz der zweistelligen Minusgrade gab er ihr recht. „Kannst du dir ganz kurz einen Handschuh ausziehen?“

Neugierig folgte sie seiner Bitte und legte ihm ihre Hand an die Wange. „Ich hoffe, du hast einen guten Grund dafür. Es ist kalt.“

Lachend nickte er. „Ich weiß und ich beeile mich.“ Rasch zog er seinen eigenen Handschuh aus und holte die kleine Schachtel aus seinem Parka. Er öffnete sie und streifte ihr den Ring über den Finger. „Frohe Weihnachten, Jamila.“

Sie hob die Hand dicht vor die Augen und schnappte nach Luft. Dann schmiegte sie sich so dicht an ihn, dass er trotz der wattierten Kleidung ihren Körper und viel wichtiger ihre Nähe spürte.

Ihre Augen strahlten mit dem Edelstein um die Wette. „Frohe Weihnachten, Luc. Aber weißt du, der Ring ist traumhaft und ich liebe unsere Familien, aber wichtig ist mir an Weihnachten nur eins: Dass wir beide zusammen sind. Ich liebe dich, Luc.“

„Und ich dich.“ Es hatte etwas gedauert, bis er begriffen hatte, worum es Weihnachten wirklich ging, aber am Ende hatte er es verstanden. Nur darauf kam es an.

 

© Stefanie Ross, 2013

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