Auf der LLC lernt man immer wieder tolle Menschen kennen, mit denen man in Kontakt bleibt. Im Jahr 2015 lernte ich Susanna kennen, die sich so sehr in mein Herz geschlichen hat, das wir richtig enge Freunde geworden sind. Und ihre Freundschaft erstreckt sich auch auf Markus und unser Töchterchen Florentine.
Susanna ist ein ganz besonderer Mensch: einer, der trotz oder gerade wegen seines Schicksals einen unglaublichen Lebensmut hat, dass es mich manchmal beschämt, aber auch sehr ermutigt und mir ein Vorbild ist.
Hier kommt – aus ihrer Feder – eine (ihre) bewegende Geschichte:
Die liebe Katja bat mich, für den Adventskalender etwas zu schreiben. Nach langer Überlegung, entschloss ich mich für etwas anderes als Rezepte oder einen Bericht über Weihnachtsmärkte (die in Berlin einfach nur voll sind). Beim ersten lesen werden viele schlucken, es für tragisch befinden. Für mich hat dieser Tag, nach Jahren, auch etwas positives, der Tag, der mein Leben komplett ändern sollte.
Bis dahin war ich ein „normaler „Teenager, bis auf die leichten Einschränkungen durch eine unheilbare, noch zum größten Teil unerforschten Rückenmarkserkrankung. Aufgrund dieser Erkrankung bestand immer die Gefahr, das Nerven im Rückenmarkskanal durch das Hirnwasser abgeklemmt werden. Eine Operation war die einzige Möglichkeit, um eine Entlastung des Rückenmarkskanals zu bewirken. Diese Operation hatte ich bis dahin zum Glück nur einmal überstehen müssen. Wie gesagt, bis dahin lief alles normal. Ich steckte mitten im Vorabitur, war im Schwimmverein aktiv, kabbelte mich mit meinen älteren Schwestern und passte auf meine kleine Nichte auf und hatte einen tollen Freund. Dass sich daran etwas ändern sollte ahnte keiner!
Schon im November stellte ich fest, dass ich mein linkes Bein nicht mehr spüre, Probleme beim Laufen kamen hinzu. Anfang Dezember dann zum Spezialisten, nach MRT usw., der schnell reagierte und mir einen Termin zum “Einzug ins Krankenhaus“ für den nächsten Tag gab, eine Operation sollte am darauf folgenden Tag, dem 5. Dezember 2003, stattfinden.
Aus irgendeinen Grund hatte ich schon Bauchschmerzen beim Einzug, größere als beim ersten Mal, aber der behandelnde Professor beruhigte mich, dass es diesmal eine kleine Operation werden würde, da man nur den Shunt, den ich schon im Rücken hatte, austauschen würde. Da ich dem Professor vertraute, das tue ich immer noch, ging auch meine Angst zurück und hey die erste Operation ging ja auch gut!
Am Vormittag des 5.Dezembers wurde ich auf die Operation vorbereitet, die Ärzte kamen noch mal zu mir, um mir zu sagen, dass ich auf Station wieder aufwachen würde. Wer Krankenhausabläufe kennt, weiß was kommt. Man bekommt ein Beruhigungsmittel, wird in die OP-Schleuse geschoben. Dort wartete schon der Narkosearzt und obwohl ich schon leicht betäubt war, empfand ich seine Aktion als Albern.
Er: „Achtung jetzt kommt eine Biiieeeennnnneeeee“ und legte eine Flexüle. Ich dachte mir nur: der hat einen Knall!
Naja dann kam die Narkose und folgendes weiß ich nur von den Ärzten:
Bei der Operation passierte etwas was keiner ahnen konnte, der Rückenmarkskanal stand damals unter Druck, das Hirnwasser konnte nicht weiter fließen, (das dies so war, war auf den Bildern nicht zu sehen) und es passierte beim Öffnen des Nervenkanals das, was passiert, wenn z.B. ein Wasserschlauch unter Druck steht. Es „explodierte“ (drastisch ausgedrückt). Beim Öffnen kam dem operierenden Professor, aufgrund des Drucks, Blut, Nervengewebe und Hirnwasser entgegen. Um auch den Blutverlust Herr zu werden, musste der Arzt entscheiden ob er den Absauger benutze (und damit die Gefahr eingeht, das Rückenmark noch mehr zu verletzen) oder die Gefahr eingeht, mich verbluten zu lassen. Er entschied sich (zum Glück) für die erste Möglichkeit.
Ich kam das erste Mal zu Bewusstsein, als ich auf die Intensivstation geschoben wurde und ahnte, dass irgendetwas nicht stimmen konnte, ich sollte ja auf die ganz normale Station.
Meine Familie, die auf Station ja auf mich wartete, wurde leider „vergessen“, der OP-Saal hatte vergessen, auf Station anzurufen um Bescheid zu sagen, dass ich auf die Intensivstation verlegt werden musste. Erst auf Nachfragen der Stationsschwester (die einfach nur toll zu ihren Patienten war) im OP erfuhren meine Eltern was passiert war. Diese informierten auch sofort meinen Freund.
Als ich richtig aus der Narkose erwachte waren meine Eltern und mein Freund bei mir, nahmen mich in den Arm. Erst nach einiger Zeit realisierte ich, dass ich ab kurz unter der Brust nichts mehr spürte, auch meine Beine konnte ich nicht bewegen. Meine Eltern trösteten mich und alle drei (also meine Eltern und mein Freund) blieben so lange wie sie durften bei mir, wachten über mich, wenn ich immer wieder einschlief und aufwachte, ließen mich nicht alleine! Auch in den nächsten Tagen auf Intensivstation, wo verschiedene Untersuchungen stattfanden und festgestellt wurde das ich inkomplett Querschnittsgelähmt war. Eine schlimme Diagnose, zumindestens im ersten Moment, bei der meine Familie bei mir war, mich gestützt und aufgefangen hat. In den folgenden Tagen musste ich noch eine Operation durchstehen, nach der die Lähmung bis zum Bauchnabel zurück ging.
Jetzt 13 Jahre später weiß ich, dass ich Glück hatte! Glück, das ich einen tollen Arzt hatte, der es trotz Ruhm schafft menschlich zu sein, Glück das ich lebte (das hätte auch anders ausgehen können) und das größte Glück: ich hatte eine Familie, die mich aufgefangen hat, die mich ganz normal behandelte, bei der ich Fehler machen darf – dann einen „Anschiss“ bekomme und wieder in den Arm genommen werde. Es hat einige Jahre gedauert, bis ich am 5.Dezember keine Bauchschmerzen mehr hatte, ich habe gelernt den Tag als „Glückstag“ zu sehen bei dem ich Abends eine Kerze anzünde und einfach nur Danke sage.
Liebe Susanna, auch ich sage Danke. Für Deine Freundschaft, für deine Offenheit, für diese bewegende Geschichte. Ich wünsch Dir von ganzem Herzen nur das allerbeste. Bleib so stark, so mutig und so menschlich wie Du bist.
Ich hab Dich lieb.
Ich habe dich auch lieb! Vielen dank füe dein tolles Vorwort