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Zwei fremde Leben von Frank Goldammer

Dieses Buch musste ich tatsächlich erst einmal sacken lassen, ehe ich es rezensieren konnte.

Auf „Zwei fremde Leben“ wurde ich aufmerksam, als der Autor am Rande einer Lesung im März kurz darüber erzählte und es landete sofort auf meiner Wunschliste. Als es Ende Juli dann endlich erschien, hielt ich es auch sehr schnell in der Hand.

Frank Goldammer kenne ich hauptsächlich aus Krimi-Autor und habe schon einige seiner Werke im Bücherregal stehen. Nun legt er einen Roman über ein sehr ernstes und bewegtes Thema vor, dass mich emotional sehr durchgerüttelt hat. Ich würde es, obwohl es durchaus spannend ist aber nicht als Krimi bezeichnen.

Der Autor widmet sich hier voll und ganz dem Thema Zwangsadoption in der DDR und obwohl das Thema immer unter den Tisch gekehrt wurde, haben diese Adoptionen Ausmaße angenommen, die einfach erschreckend sind.

Erzählt wird die Geschichte auf drei Zeitebenen – kurz gesagt 1973, während der Wende und in der heutigen Zeit aus Sicht von 3 Personen. Da haben wir Ricarda, die junge Frau die ein Kind angeblich tot zur Welt bringt aber nicht daran glauben mag. Thomas, der Polizist der ermittelt und in die Mühlen der Stasi gerät und zu guter letzt Claudia, die erfährt, dass ihre Eltern nicht ihre Eltern sind.

Wie auch in seinen Krimis um Max Heller, den Dresdner Kommissar der nach dem 2. Weltkrieg in Dresden ermittelt, merkt man auch diesem Buch die Recherchearbeit an, die darin steckt. Der Autor schafft es einmal mehr, durch seine äußerst lebendigen Beschreibungen der Charaktere und der Lebensumstände, den Leser in die Zeit zurückzuversetzen. Wem kann man trauen? Ist der Freund, der Nachbar, der Kollege bei der Stasi und horcht mich aus? Warum will mir keiner glauben? Wir erleben mit, wie Familien zerbrechen, weil die alles beherrschende Frage im Raum steht: Wo ist mein Kind? Was ist wirklich passiert? Aber auch die Frage: „Wer sind meine Eltern? Warum wollte mich meine Mutter nicht?“ will beantwortet werden.

Und so schickt der Autor seine Figuren durch ein Wechselbad der Gefühle, blickt mit uns hinter die Kulissen der Staatssicherheit, zeigt die „Arbeitsweise“ der Behörde und die leicht man in die Fänge eben dieser Behörde gelangen kann.

Er zeigt aber auch die Zeit nach der Wende auf, die Übernahme ganzer Städte durch die sogenannten „Besserwessis“, die auf uns Ostdeutsche herabgesehen haben und der Meinung waren, dass wir erst einmal arbeiten lernen müssen. Das wir ohne sie am Ende wären. Die Überheblichkeit kommt gut rüber, aber auch das eigentlich nur ein kleiner Teil so war.

Er spielt quasi mit den Vorurteilen, die man so hatte (oder hat) und die leider bei einigen immer noch in den Köpfen herumspuken. Dabei hat jede Medaille eigentlich zwei Seiten.

Die Suche nach der Wahrheit begleitet uns das ganze Buch über, auch wenn wir während der Zeit leider Claudia einmal aus den Augen verlieren. Der Schluss kam dann irgendwie zu schnell und hier hätte ich mir ein wenig mehr Tiefe, Gefühl und Zeit gewünscht, das zu verarbeiten.

Es ist ein Buch das sprachlos und wütend macht, ein Buch das einen zerrissen zurück lässt. Ich habe meine beiden Kinder vor 6 und vor 4 Jahren in der beschriebenen Frauenklinik zur Welt gebracht, wohne nicht weit weg. Und auch wenn ich nicht sicher weiß, dass solche Fälle dort tatsächlich passiert sind – ein mulmiges Gefühl ist gerade da.

Danke für den Lesegenuss und die Gänsehaut. Für die Tränen und für die Wut die ich empfunden habe.

Von mir bekommt das Buch 4 von 5 Sternen und eine Leseempfehlung für alle, die sich mit dem Thema Zwangsadoption auseinander setzen wollen oder Interesse daran haben.

Daten:
Autor: Frank Goldammer
Titel: Zwei fremde Leben
Broschiert: 400 Seiten
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft (Juli 2020)
ISBN: 978-3423262552

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