Auf diesem Blog dreht es sich rund um Bücher, Rezensionen, Buchvorstellungen, Interviews und das Kochen von leckeren Speisen aus Topf und Pfanne.

Zwischen zwei Welten – ein Interview mit Anat Talshir

Dieses Interview mit Anat Talshir, einer israelischen Autorin, ist für mich etwas ganz besonderes. Nicht nur, weil es mein erstes Interview mit einer Autorin ist, die nicht aus Deutschland oder den deutschsprachige Ländern stammt. Es ist mein erstes Interview, das zweisprachig – sowohl in Deutsch als auch in Englisch – hier auf meinem Blog erscheint und darauf bin ich sehr stolz.

Ich bedanke mich bei Julia Jerosch vom Diana-Verlag für die Vermittlung des Interviews und bei Markus für die Übersetzung.

Katja: Liebe Frau Talshir, vielen Dank dass ich die Gelegenheit bekomme, im Vorfeld der Leipziger Buchmesse ein kleines Interview mit Ihnen zu führen.

Sie haben mit „Über uns die Nacht“ einen Roman geschrieben, der in Ihrem Heimatland Israel spielt und bei mir eines bewirkt hat: Ich will mich mehr mit dem Land beschäftigen, mehr darüber lesen und in naher Zukunft mit meinem Partner zusammen dahin reisen. Freuen Sie sich über solche Reaktionen?

Anat Talshir: Ja, ich freue mich über solche Reaktionen, aber das war nicht die Idee hinter der Geschichte. Ich wollte eine Geschichte erzählen, die sich auf die Geschichte eines Paares fokussiert, welches gezwungen ist, auf den verschiedenen Seiten der Mauer zu leben. Hinter dieser Mauer können wir Menschen finden, die große Liebe, ungeheure Emotionen und gebrochene Herzen.

Katja: Was hat Sie bewogen, die Geschichte von Elias und Lila zu erzählen? Wollten Sie Interesse für Ihr Land und dessen Geschichte wecken? Darauf aufmerksam machen, wie die Menschen fühlen, wenn es immer wieder Unruhen in ihrem Land, ihrer Stadt gibt?

Anat Talshir: In meinem Schreiben liegen keine politischen Agendas. Ich erzähle eine universale Geschichte über eine Verbindung von zwei Leuten. Dinge, die jeder auf dieser Welt erfahren kann. Diese Geschichte von Lila und Elias ist größer als das Leben. Und wenn eine Liebesgeschichte Interesse an meinem Land generieren kann, dann ist das ein Bonus.

Katja: Man hört immer wieder, dass das arabische und jüdische Leben, vor allem in Jerusalem meist nebeneinander her geführt wird. Wie kommt Ihre Geschichte bei der Presse beider Seiten an?

Anat Talshir: Das Buch wird ins Arabische übersetzt und so ein großes Publikum unter arabischen Lesern erreichen. Ich kann dir sagen, dass Araber, welche die hebräische Ausgabe gelesen haben, enthusiastisch reagiert haben. Wichtiger als gute literarische Rezensionen sind die Reaktionen der Leute für mich, die plötzlich einen kleinen Funken Hoffnung gefunden haben, dass alles möglich ist. Der Krieg teilte sie und der brachte sie letztendlich zusammen. Nur wenn man in eine Geschichte „hinein zoomt“, kannst man sehen wie überflüssig dieser Konflikt zwischen Israelis und Arabern wirklich ist.

Katja: Wer in Israel liest mehr ihr Buch? Moslems, Juden, Christen? Wie waren die Rückmeldungen bisher?

Anat Talshir: Das Buch war ein Bestseller in Israel. In unserer Gesellschaft lesen Frauen öfter als Männer. Ich glaube, dass das Buch hauptsächlich von israelischen Frauen gelesen wurde. Jedoch habe ich auch einen Brief eines männlichen muslimischen Arztes erhalten, der mir schrieb „Vielen Dank, dass du mich so zum weinen gebracht hast“.

Katja: Sie sind ja direkt in Jerusalem geboren, kennen also mit Sicherheit die Probleme, die Ängste. Wie geht man mit den Unruhen, die ja an der Tagesordnung sind, um?

Anat Talshir: Solange ich mich erinnern kann, gibt es Krieg zwischen Israelis und Arabern. Die wenigen Tage der Ruhe werden gefolgt von vielen Tagen der Angst und Unsicherheit. Dennoch, seit dem Tag, als ich mit 9 Jahren in einem Schutzraum im bombardierten Jerusalem war, habe ich nicht den Wunsch verloren in Frieden mit den Arabern zu leben. Die Leute können sich an alles gewöhnen und sie finden ihren Weg, die Hoffnung zu suchen. Persönlich kanalisiere ich die Unruhen zu einem kreativen Weg. Das habe ich bereits als Journalistin getan und so tue ich es weiter als Schriftsteller.

Katja: Bevor Sie mit dem Schreiben von Romanen angefangen haben, waren Sie Journalistin und Moderatorin, haben kreatives Schreiben unterrichtet. War der Weg zum eigenen Buch daher vorgezeichnet und von Anfang an klar? Gibt es einen großen Unterschied zwischen dem journalistischen Schreiben und dem Schreiben von Büchern?

Anat Talshir: Die Geschichte von Lila und Elias wurde nicht aus seiner rationalen Entscheidung heraus geschrieben, sondern aus einem tiefen Bedürfnis, sie zu erzählen. Einer der Autoren, die ich am meisten bewundere, Gabriel Garcia Marquez, war ein begnadeter Journalist und er sagte einmal: „Der Roman und der Artikel – das sind zwei Söhne einer Mutter“. In beiden Fällen (Journalismus und Literatur) braucht man Nachforschungen, eine historische Basis, Charaktergestaltung und eine Spannungsbogen. Jedoch in diesem Roman wusste ich nicht, wohin mich die Charaktere führen. Sie haben ihre eigene Persönlichkeit in der imaginären Welt, die an einem realen Ort spielt. Die Aufgabe im Journalismus ist es, emotional zu sein und doch den Fakten treu zu bleiben. In der Literatur sind die Vorstellungskraft und Emotionen des Schriftstellers der Treibstoff für den kreativen Prozess.

Katja: Ist Ihr Besuch auf der Leipziger Buchmesse der erste Besuch hier in Deutschland? Was haben sie bisher kennengelernt? Was gefällt Ihnen und was finden Sie gar nicht gut?

Anat Talshir: Ich habe München besucht und auch ein paar Mal Berlin, welches eine fabelhafte, pulsierende Stadt ist. Ich war sehr vom Checkpoint Charlie fasziniert: Die Grenze zwischen Ost- und Westberlin. Genau wie in Jerusalem, wo die Mauer 19 Jahre Bestand hatte, im Vergleich zu eurer mit 28 Jahren.

Katja: Nimmt man sich, wenn man als Journalistin und Autorin unterwegs ist, auch Zeit ein bisschen Tourist zu sein oder bleibt dafür keine Zeit mehr, weil die Verpflichtungen und Termine überwiegen?

Anat Talshir: Wo auch immer ich hin reise, ich versuche immer die Stadt zu Fuß zu erkunden: Ich schaue immer nach einer Bäckerei, einem Buchladen und einem Fluss. Zum Glück für mich ermöglicht seine Arbeitsweise einem Autor, alles was geschieht sorgfältig und aufmerksam zu beobachten.

Katja: Erlauben Sie Ihren Lesern hier in Deutschland einen Einblick in Ihr Arbeitszimmer? Wo entstand das Buch? Am Schreibtisch? Oder gibt es einen anderen Platz, an dem Sie gern und viel schreiben?

Anat Talshir: Die Geschichte von Lila und Elias war schon in mir, als ich ein kleines Mädchen war. Eine Freundin meiner Mutter besuchte uns regelmäßig. Sie war wunderschön, aber immer allein. Als ich erwachsen wurde, realisierte ich, dass sie auf den Mann, den sie liebte (einen Araber) 19 Jahre wartete. Erst als ich als erwachsen war, von Jerusalem nach Tel-Aviv zog, war ich fähig, diese Geschichte zu schreiben. Es dauerte 3 Jahre, in denen ich in einem Zimmer in Alt Jaffa saß, einer Stadt in der Juden und Araber schon immer zusammen lebten.

Katja: Wird es ein weiteres Buch aus Ihrer Feder geben? Gibt es bereits neue Projekte?

Anat Talshir: Ich arbeite derzeit an zwei Projekten: Einem Roman über eine erfolgreiche Kriminologin, welchem im Alter von 50 anfängt herauszufinden, was die Ehe ihrer Eltern viele Jahre zuvor ruiniert hat. Das zweite Projekt ist das Skript für einen Film, der in Jerusalem spielt.

Katja: Und zum Schluss eine Frage, die mich ganz besonders als leidenschaftliche Hobbyköchin interessiert: Was ist das Nationalgericht in Israel? Gibt es ein Gericht, das in keiner Familie fehlen darf? Und würden Sie mir vielleicht IHR ganz spezielles Lieblingsrezept verraten?

Anat Talshir: Ich bin selbst auch ein Hobbykoch 🙂

Da die meisten Israelis von überall auf der Welt kommen: aus Polen und Russland, der Türkei, dem Irak, Marokko und dem Jemen, ist die Küche äußerst vielfältig. Trotz aller Unterschiede findet man in jedem Israelischen Haushalt frische Tomaten, Gurke, rote Zwiebeln, Petersilie und Koriander – fein gehackt, dazu Sesampaste (Tahini).

Ich freue mich, mit dir ein Rezept aus meinem Roman zu teilen, auf das sich meine Familie immer freut:

Fisch Kebab in Tomatensoße:

500 g frischer, gehackter Red Snapper
4 Knoblauchzehen, fein gehackt
ein Bund Petersilie, fein gehackt
ein Bund Koriander, fein gehackt
ein Ei
eine halbe Tasse Semmelbrösel
Salz, Pfeffer, Kurkuma, Zitronenschale

Alle Zutaten in eine Schüssel geben, daraus handtellergroße Kebabs rollen und in Olivenöl braten. Die Kebabs in einen großen Topf geben; Tomatensoße, Wasser und Gewürze hinzugeben, sodass alle Kebabs bedeckt sind. Das Ganze für eine Stunde kochen. Serviert werden kann es mit weißem Reis oder in Scheiben geschnittenem Challabrot (Hefezopf).

 

Copyright Foto:  Jonathan Bloom

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